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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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beiden reglos wie Statuen, und selbst Borobá war mucksmäuschenstill und machte große Augen, als wüsste er, dass er an einem kostbaren Ereignis teilhatte. Die Minuten verstrichen, schnell fiel die Nacht, und Dunkelheit umfing sie. Plötzlich wurde ihnen klar, dass sie allein waren; so lautlos, wie sie aufgetaucht waren, waren die Indianer wieder ins Nichts verschwunden.
    »Wer war das?«, fragte Alex, als sie zum Lager zurückgingen.
    »Das müssen die Nebelmenschen sein, die Unsichtbaren, die ältesten und geheimnisvollsten Bewohner des Amazonasgebiets. Man weiß, dass es sie gibt, aber eigentlich ist ihnen noch nie jemand begegnet.«
    »Was wollen sie wohl von uns?«
    »Sehen, wie wir leben, vielleicht …« Nadia zuckte die Achseln.
    »Das würde ich bei ihnen auch gern.«
    »Wir sagen keinem, dass wir sie gesehen haben, Jaguar.«
    »Seltsam, dass sie uns nicht angegriffen haben und sich auch nicht für die Geschenke interessieren, die dein Vater aufgehängt hat.«
    »Glaubst du, sie waren das, die den Soldaten in dem Boot ermordet haben?«
    »Keine Ahnung, aber mal angenommen, sie waren es, warum greifen sie uns dann jetzt nicht an?«
    In dieser Nacht verbrachte Alex die Wache zusammen mit seiner Großmutter ohne Furcht, denn vom Gestank der Bestie war nichts zu merken, und wegen der Indianer machte er sich keine Sorgen. Nach der sonderbaren Begegnung mit ihnen war er davon überzeugt, dass eine Pistole wenig nutzen würde, falls sie angreifen wollten. Wie sollte man denn auf jemanden zielen, der fast unsichtbar war? Die Indianer lösten sich in nichts auf wie Schatten in der Nacht, sie waren ein lautloser Spuk, der über sie herfallen und sie im Handumdrehen ermorden konnte, noch ehe sie überhaupt merkten, was vorging. Im Grunde war er sich jedoch sicher, dass die Nebelmenschen das nicht vorhatten.

ZEHNTES KAPITEL
Entführt
    Der nächste Tag schleppte sich nervtötend langsam dahin, es regnete ständig, kaum war man ein bisschen trocken, gab es schon wieder einen Wolkenbruch. In der darauf folgenden Nacht verschwanden die beiden Soldaten während ihrer Wache, und schnell war klar, dass auch das Boot fehlte. Seit ihre zwei Kameraden ermordet worden waren, saß den beiden Männern die Angst im Nacken, und nun waren sie flussabwärts geflohen. Schon als sie nicht mit dem ersten Boot nach Santa María de la Lluvia zurückkehren durften, wäre es fast zu einer Meuterei gekommen; keiner würde sie dafür bezahlen, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzten, hatten sie gesagt. César Santos hielt ihnen vor, sie würden doch als Soldaten genau dafür bezahlt, oder? Diese Flucht konnte sie teuer zu stehen kommen, aber sie fürchteten das Militärgericht offenbar weniger als die Indianer oder die Bestie. Für den Rest der Expeditionsteilnehmer war dieses Boot die einzige Möglichkeit gewesen, wieder in die Zivilisation zurückzukehren; ohne Boot und ohne Funkgerät waren sie nun endgültig von der Außenwelt abgeschnitten.
    »Die Indianer werden uns alle massakrieren, wir können unmöglich bleiben!« Professor Leblanc war außer sich.
    »Wo wollen Sie denn hin, Herr Professor? Wenn wir hier weggehen, finden uns die Hubschrauber nicht. Von oben betrachtet, ist alles eine einzige grüne Fläche, sie würden uns niemals entdecken«, sagte César Santos.
    »Könnten wir nicht einfach dem Fluss folgen und uns allein bis nach Santa María de la Lluvia durchschlagen?«, fragte Kate Cold.
    »Zu Fuß ist das völlig ausgeschlossen. Es ist zu unwegsam, und in dem Gewirr von Flüssen verirrt man sich zu leicht.« César Santos schüttelte den Kopf.
    »Das ist Ihre Schuld, Cold! Wir hätten alle nach Santa María de la Lluvia zurückkehren sollen, wie ich vorgeschlagen habe«, giftete der Professor die Reporterin an.
    »Na schön, es ist meine Schuld. Was gedenken Sie mit mir zu machen?«
    »Ich werde es an die große Glocke hängen! Ich werde Ihre Karriere ruinieren!«
    »Falls ich nicht zuerst die Ihre ruiniere, Herr Professor.« Kate war nicht aus der Ruhe zu bringen.
    César Santos unterbrach die beiden und sagte, anstatt sich zu streiten, sollten sie lieber alle gemeinsam überlegen, was sie tun konnten: Die Indianer waren misstrauisch und hatten bisher kein Interesse an den Geschenken gezeigt, sie behielten die Expedition zwar bestimmt im Auge, hatten aber nicht angegriffen.
    »Scheint Ihnen das keiner Erwähnung wert, was sie mit dem armen Soldaten angestellt haben?« Leblanc war immer noch in Fahrt.
    »Ich kann nicht

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