Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
eine »antizionistische Legion« vor, die den Irak gegen die »derzeitige Aggression zionistischer und US-imperialistischer Kräfte« unterstützen wollte. Kühnen, der sich als »politischer und militärischer Leiter« bezeichnete, verlangte für sich die irakische Staatsbürgerschaft und verpflichtete sich, bis zu einhundert deutsche Freiwillige über Kopenhagen und Stockholm in den Irak zu vermitteln. Die Legion sollte durch ein von Kühnen ernanntes Oberkommando geführt werden. Im Vertrag wurden jedem Offizier monatlich fünftausend, jedem Legionär dreitausend D-Mark garantiert. Es gibt allerdings keine Gewißheit darüber, daß es wirklich zum Einsatz dieser deutschen, aus Neonazis rekrutierten Freiwilligentruppe gekommen ist. Fest steht jedoch, daß andere international bekannte Neonazis, unter ihnen der Pariser Michel Faci, während des Golfkrieges im Irak auf Seiten der irakischen Armee im Einsatz waren. Michel Faci ist bekannt dafür, daß er an allen Kriegsschauplätzen dieser Erde anzutreffen ist. Schon vor zwölf Jahren war er im südamerikanischen Einsatz.
Faci und Kühnen hielten enge Verbindung, bei jedem größeren deutschen Nazitreffen ist Faci dabei. Im Juli 1992 berichtete er in München von ihren »Heldentaten« im Irak und in Kroatien. Der yuppiehafte Neonazi Ewald Althans stellte am Schluß dieser Veranstaltung fest: »Als Idealisten sind diese jungen Europäer aus Deutschland, Österreich, England, Frankreich, Italien und Spanien nach Kroatien in den Krieg gezogen, und als Männer sind sie zurückgekommen, das muß man wirklich mal so sagen.« - Zweihundert meist ältere Zuhörer klatschten begeistert Beifall und griffen spendenfreudig zu ihren Brieftaschen.
Althans war ein gelehriger Schüler Kühnens und schon als Jugendlicher außerordentlich aktiv. Er ist der talentierteste Redner unter allen deutschen Neonazis und wird von vielen als Kühnens eigentlicher Nachfolger bezeichnet. Wegen seines Lebensstils und seiner angeblichen Homosexualität scheint es aber, daß er in weiten Kreisen in Verruf geraten ist. Althans trennte sich Ende der achtziger Jahre von Kühnen und arbeitet seitdem mit dem schwäbisch-kanadischen Seifmade-Neonazi Ernst Zündel zusammen, Im Gegensatz zu allen anderen Neonazis verfügte Kühnen über eine natürliche Autorität, die sich nicht durch Schreien und billige Wichtigtuerei ausdrückte. Oft sprach ich mit ihm gar nicht über die »Bewegung«, sondern über ganz andere Dinge. Er betrachtete das Leben unter vielen Aspekten, und er schien offen für vielerlei Argumente. Er war völlig anders als Worch oder Küssel. Ich merkte, daß er mich gut leiden konnte und gern mit mir sprach. Er war der einzige, den ich als Autorität anerkannte, und die Tatsache seiner Homosexualität hielt ich zunächst für übelste Propaganda. Es schien mir, daß er allen um Längen voraus sei, und seine Überlegenheit war damals für mich die natürlichste Sache der Welt. Ich zweifelte nicht eine Sekunde am Nationalsozialismus. Ich glaube, ich war einfach auf der Suche nach einem Vorbild, das eben damals kein anderer als Kühnen für mich sein konnte. Ich war stolz, mit ihm zusammen fotografiert zu werden. Sein Einfluß gab mir das Gefühl, selbst wichtig zu sein. Innerhalb der Szene war ich anerkannt, das Außenherum interessierte mich nicht. Kühnens Einfluß auf die Intelligenteren von uns war der eines Magiers, dem man sich kaum entziehen konnte. Sein Tod traf mich so hart und überraschend, daß ich damals zum erstenmal darüber nachdachte, aus Enttäuschung die Szene zu verlassen.
Kühnen war der eigentliche Begründer des Neonazismus in der Bundesrepublik, seit seinem Tode ist die Kontinuität gebrochen. Natürlich verstand er es auch sehr gut, unangenehme Aufgaben auf andere zu übertragen, so war er bei niemandem unbeliebt, die Angehörigen der Anti-Schwulen-Bewegung ausgenommen. Der Altnazi Friedhelm Busse nannte ihn in Interviews wiederholt einen »Nestbeschmutzer«. Kühnens Charakter war aber zu vielschichtig, als daß eine solche Reduzierung seiner Person gerecht werden könnte.
Der Österreicher Gottfried Küssel beanspruchte sofort nach Kühnens Tod die Rolle des Nachfolgers für sich. Sein unüberlegtes Auftreten und sein mangelndes diplomatisches Geschick brachten ihn nach kurzer Zeit ins Gefängnis.
Christian Worch
Worch war über viele Jahre Kühnens bester Freund, er verstand es, sich ihm unterzuordnen, ohne sich lächerlich zu machen. Obwohl auch er als
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