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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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entgegengenommen zu haben. Er soll Sprengstoffanschläge auf eine gewerkschaftseigene Bank, auf ein Pressehaus in Hannover sowie auf den Transitverkehr durch die DDR geplant haben. Vor der Urteilsverkündung bekannte sich Kühnen ausdrücklich zur Mitgliedschaft in der NSDAP/AO, letzteres Kürzel wird sowohl für »Aufbau-« als auch für »Auslandsorganisation« verwendet.
    Kühnen ließ durchblicken, daß es im Falle seiner Verurteilung zu neuen terroristischen Gewalttaten der Neonazis kommen könnte, und warnte die Richter: »Denken Sie an die Kameraden, die hinter mir stehen.« Nichtsdestotrotz erhielt Kühnen vier Jahre.
    Bald nach der Verbüßung dieser Strafe wurde Kühnen wieder aktiv. Zwar wurde die ANS 1983 vom damaligen Innenminister verboten, Kühnens Aktivitäten richteten sich aber auf die »Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei«, gegründet von dem Deutschnationalen Martin Pape. Schnell saßen Kühnens Leute an den Schalthebeln der FAP, und bald gab es auch neue Haftbefehle wegen Verbreitung von Nazipropaganda. Kühnen setzte sich vorübergehend nach Paris ab, wo er eine Zeitlang unbehelligt leben konnte. Als die französischen Behörden jedoch auf ihn aufmerksam wurden, schoben sie ihn wieder in die Bundesrepublik ab. 1985 erhielt er in Frankfurt drei Jahre und vier Monate wegen Nazipropaganda. Im Herbst 1987 war in verschiedenen Zeitungen zu lesen, der in der Justizvollzugsanstalt Butzbach einsitzende Kühnen sei homosexuell und mit AIDS infiziert. Daraufhin formierte sich eine Gruppe ehemaliger Kühnen-Anhänger zu einer Anti-Schwulen-Fraktion und verfaßte ein Manifest, in dem zu lesen ist, Homosexuelle seien »Verräter am Volk« und »Volksverderber«, die AIDS verbreiten, »eine Krankheit, geeignet, gesunde Völker auszurotten«. Am Schluß heißt es: »Ein Schwuler wird niemals ein treuer Nationalist sein.«
    Kühnen antwortete mit einer siebenundsechzigseitigen Verteidigungsschrift unter dem Titel »Nationalsozialismus und Homosexualität«, in der er an die homosexuelle Tradition von Männerbünden in der Art von Röhms SA erinnert. Er fordert seine ehemaligen »Kameraden« auf, ihre Maßstäbe nicht länger aus der »jüdisch-christlichen Spießbürgermoral« zu gewinnen, sondern aus der biologischen Lebenswirklichkeit der Natur, in der Homosexualität ihren Platz und ihren Sinn hat.
    Auch Kühnens Stellvertreter Thomas Brehl wurde für »stockschwul« befunden und aus der Neonazibewegung ausgegrenzt.
    Am l. März 1988 wurde Kühnen aus dem Strafvollzug entlassen, gleich danach erklärte er: »Wo ein Nationalsozialist ist, da lebt die Partei, und solange die Partei lebt, lebt auch Deutschland.« Seine taktischen Ziele beschrieb er jetzt so: »Überall, wo Unzufriedenheit herrscht, müssen auch Nationalsozialisten auftauchen, die die Unzufriedenheit schüren, möglichst zur Rebellion steigern, und überall, wo Rebellion herrscht, müssen wir sein, um die Rebellion schließlich einmal zur Revolution zu führen.«
    Mit der »Nationalen Sammlung« versuchte er 1989 an den hessischen Landtagswahlen teilzunehmen. Aber am 9. Februar wurde diese »Nationale Sammlung« verboten.
    Es nahte der einhundertste Geburtstag Adolf Hitlers. Vorbereitungen darauf liefen seit mehr als fünf Jahren, denn schon 1984 hatten sich Kühnen und Brehl mit dem heute fast neunzigjährigen wallonischen Faschisten und ehemaligen SS-General Leon Degrelle in Madrid getroffen, um ein diesbezügliches Komitee zu gründen. Leon Degrelle wurde dessen Ehrenvorsitzender. Degrelle war 1945 in Belgien zum Tode verurteilt worden und nach Spanien geflohen, wo er sich von Franco als Belgiens »kleiner Hitler« und ranghöchster Ausländerin der ehemaligen großdeutschen Wehrmacht feiern ließ.
    Kühnen pflegte Auslandskontakte sehr intensiv. Er glaubte, ein »internationaler Nationalismus« könnte die Errichtung einer nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland beschleunigen. Nach seiner Vision würden alle europäischen Staaten eines Tages eine nationalsozialistische Regierung haben, deren Modell die deutsche sei.
    Bei Ausbruch des Golfkrieges schloß Kühnen mit der irakischen Botschaft in Deutschland einen Vertrag über die Aufstellung einer deutschen Freiwilligenlegion für Saddam Hussein. Ein Dokument, das diesen Fakt belegt, findet sich im Nachlaß des verstorbenen Neonaziführers und wurde von der Staatsschutzabteilung des für die fünf neuen Länder zuständigen Kriminalamtes für authentisch erklärt. Das Dokument sah

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