Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
Bundeswehrsoldaten hatten sich uns zugesellt und nahmen am Zielschießen teil. Der Gewinner, ein Mitglied der »Nationalen Liste«, erhielt von der Bundeswehr einen zwar alten aber funktionstüchtigen Karabiner überreicht. Zum Abend wurden wir in die Kaserne zu einer Grillparty mit Freibier eingeladen. Nachdem wir uns bei dieser Gelegenheit ordentlich betrunken hatten, schliefen wir auch in der Kaserne. Dreißig der Teilnehmer trugen die Tarnuniform des österreichischen Bundesheers, die der Tarnuniform der SS aus dem Zweiten Weltkrieg gleicht.
Allerdings nahmen an diesem Treffen nicht nur Neonazis teil. Einige der Gäste empfanden deren Auftritt aber als zu militant und verschwanden schnell wieder. Einer war zum Beispiel mit einem amerikanischen Jeep der Alliierten gekommen und hatte auf die Kühlerhaube einen deutschen Stahlhelm montiert. Ein Loch in diesem Helm und die Aufschrift »Landung in der Normandie 1944« wiesen darauf hin, wo und durch wen sein Träger den Tod gefunden hatte. Dieser Teilnehmer war ganz offensichtlich in den falschen Verein geraten, und nach einer Reihe von Provokationen seitens der rechten Traditionalisten reiste er mit seinem Jeep überstürzt ab.
Am nächsten Morgen wurden wir wie Soldaten von einer Fanfare geweckt. Wir frühstückten auch gemeinsam mit den Soldaten und wurden zum anschließenden Frühsport eingeladen. Die Bundeswehrangehörigen waren von uns begeistert. Wie rechts wir waren, hatten sie vielleicht gar nicht bemerkt.
Diese Treffen von Liebhabern militärhistorischer Fahrzeuge auf Bundeswehrgelände sollen regelmäßig in Putlos bei Hamburg stattfinden, ich war nur dieses eine Mal dabei.
Zum Nazi geschult
Neben den Wehrsportlagern haben regelmäßige Schulungen für den Zusammenhalt in der rechten Szene eine große Bedeutung. Ich hielt in meinen »Kameradschaften« wöchentlich solche Schulungsabende ab. Ich war durch die Medien inzwischen so bekannt geworden, daß mich ständig Jugendliche auf der Straße ansprachen, um die Verbindung zu uns herzustellen und sich nach den Aufnahmebedingungen bei uns zu erkundigen. Eines Tages, ich war zu einem Eishockeyspiel gegangen, sprach mich der Hooligan Johannes Hochstetter an. Ich gab ihm das Gefühl, es sei nicht so einfach, Mitglied einer »Kameradschaft« zu werden, Hochstetters Interesse wuchs. Ich erklärte ihm, er müsse erst eine Aufnahmeprüfung machen, nach der ich entscheiden würde. Ich wußte, daß Hochstetter nicht gerade ein Geistesriese war. Also erklärte ich ihm, daß ich ihn in ein Konzert des rechtsradikalen Liedermachers Frank Rennike mitnehmen würde und er mir danach beweisen mußte, ob er den Inhalt der Lieder auch verstanden hatte - eine Aufgabe, die auch der Dümmste zu losen vermag. Hochstetter bekam sein Erfolgserlebnis, und darauf kam es an. Nachwuchsleuten mußte immer das Gefühl gegeben werden, wie wichtig sie für die »Kameradschaft« seien. Die meisten Jugendlichen, die uns ansprachen, waren frustriert. Sie hatten keinerlei Zukunftsperspektiven. Ich baute sie auf und lobte sie gelegentlich, um ihr Selbstwertgefühl zu heben. Solche Anerkennung machte sie vollkommen abhängig von der Gemeinschaft, die wir »Kameradschaft« nannten. Diese »Kameradschaft« wird für viele zu einer Art Droge, von der sie nicht mehr lassen können. Da sie außerhalb der »Kameradschaft« keine Anerkennung erfahren, sind sie weitgehend isoliert, und es fehlen ihnen andere soziale Kontakte. Ewald Althans, der junge, sich intellektuell gebende Neonaziführer von München, hat das in einem Interview so beschrieben: »Diese Leute kommen zu mir, weil sie ein Leitbild suchen. Wenn ich denen sage: ›Steh stramm!‹, dann tun die das, so etwas ist schon faszinierend in der heutigen Zeit. Ich will diese Leute ganz haben. Diese orientierungslosen jungen Menschen sollen bei mir in einer Lebensgemeinschaft aufgehen, in der sie alles haben. Diese Leute sind eine ganz leicht knetbare Masse, die sich ganz leicht formen läßt. Überall, wo die jungen Leute nach Hilfe schreien, da fahre ich dann hin und sammle sie ein und mache dann ordentliche Nationalsozialisten aus ihnen. Ich will diese Leute ganz haben. Das muß man sich vorstellen wie eine Sekte. Diese Leute müssen vollkommen darin aufgehen und dürfen nichts anderes mehr wollen.«
Die nationalsozialistische Ideologie hat sich im Laufe der Zeit bei vielen so festgehakt, daß es jemandem wie dem Sozialdiakon Michael Heinisch kaum möglich sein wird, auch nur einen der
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