Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
ich habe nichts mehr zu verlieren. Frank Lutz und Mike Prötzke ging es ahnlich wie mir. Frank Lutz und ich schlugen uns mit Gelegenheitsjobs durch, Mike Prötzke saß zu Hause und erweiterte sein Wissen über die Nazizeit. Die meiste Zeit hockten wir jedoch in irgendwelchen Lichtenberger Kneipen herum und ließen uns vollaufen. Schlägereien mit den Linken in der Pfarrstraße gehörten noch immer zu unserem Alltag.
Die Nazi-Demo im Thälmannpark
Am 1. Mai 1991 nahm ich an einer Demonstration der »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei« am Prenzlauer Berg teil. Gleichzeitig fand in Kreuzberg die traditionelle Maidemonstration der Linken und Autonomen statt. Als die Kreuzberger Organisatoren ihre Teilnehmer über die rechtsgerichtete Veranstaltung am Prenzlauer Berg informierten, strömten mehr als tausend von ihnen zum Thalmannpark in Ostberlin. Dort hatten sich ganze vierzig FAP-Leute versammelt. Die Linken erkannten mich und schrien: »Hasselbach, du altes Nazischwein!« Ich hielt eine schwarzweißrote Fahne in der Hand und wurde mit Pflastersteinen beworfen, die nur knapp an meinem Kopf vorbeiflogen. Einer der Rechten steckte mir ein Messer zu: »Das wirst du heute nötiger brauchen als ich!« Friedhelm Busse, Bundesvorsitzender der »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei«, sah mich verwundert an. Nicht er, sondern ich war die offensichtliche Zielscheibe der Gegner.
Im Handumdrehen waren wir eingekesselt. Die Polizei stellte sich zwar zwischen uns, es gelang ihr aber nicht, die Kontrolle über das weitere Geschehen auszuüben. Es hagelte aus allen Richtungen Steine. Ein weibliches Mitglied der »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei«, das auch im Berliner Vorstand sitzt, wurde von einem Stein am Kopf getroffen und fiel um. In ihrem weißen Dirndl lag sie blutend am Boden. Noch Minuten vorher war sie Frank Lutz und mir durch ihr wichtigtuerisches und arrogantes Gehabe aufgefallen. Jetzt mußten wir grinsen.
Inzwischen war die FAP-Veranstaltung verboten worden, und die Polizeibeamten geleiteten uns zur nächsten S-Bahn-Station, deren Eingang für uns freigehalten wurde. Die Autonomen liefen mit und warfen weiter mit Steinen. Am Bahnhof Ernst-ThälmannPark angekommen, flüchteten wir, so schnell es ging, in die bereitstehende S-Bahn. Ein paar Linksradikale standen auf den Gleisen und warfen weiter mit Steinen, so daß wir uns flach auf den Boden des Waggons legen mußten. Nach ein paar Minuten fuhr die Bahn endlich ab.
Am nächsten Tag kam Busse in meine Wohnung in der Wotanstraße, um dort mit dreißig Anwesenden einen »Kameradschaftsabend« durchzuführen. Vorher hatte ich zufällig mit Arnulf Priem, dem Chef von »Wotans Volk«, telefoniert und ihm von Busses Absicht erzählt. Priem erregte sich furchtbar über Busse und forderte mich auf, Busse auf »die Sache in München« anzusprechen, wo er zwei »Kameraden« in ihr Unglück getrieben habe. Die beiden waren 1982 angeblich bei einem von Busse geplanten Banküberfall ums Leben gekommen.
Busse referierte sechs Stunden lang über die »Zusammenarbeit aller nationalen Kräfte«. Als er fertig war, sprach ich ihn wegen München an.
»Woher hast du das?«
»Von Priem!«
»Der Schmuddelrocker soll sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und nicht den Möchtegernführer spielen.
Ich müßte den Kerl anzeigen!« Nachdem er sich lange genug über den Nazirocker Priem ausgelassen hatte, bat er die Anwesenden, in seine Partei einzutreten. Kaum einer folgte seiner Bitte, ich schon gar nicht.
Nazirocker Priem
Der fünfundvierzigjährige Arnulf Winfried Priem ist von Beruf Diplom-Betriebswirt. Er trägt auffällig langes Haar, das fettig auf seine Schultern herunterhängt. Von den einschlägigen Medien wird er als »Nazirocker« bezeichnet, aber ein Musiker ist er nicht. Schon in den siebziger Jahren gründete er die militante »Kampfgruppe Priem«, und zur Zeit leitet er die militärische Kampfsportgruppe »Wotans Volk« e. V. Priem war NPD-Mitglied. Wegen versuchter Republikflucht saß der ehemalige DDR-Bürger vier Jahre im Gefängnis, ehe ihn die Bundesregierung freikaufte. Aber auch in der Bundesrepublik wurde der Staatsschutz schnell auf ihn aufmerksam, als er eine große Hakenkreuzfahne an der Siegessäule hißte. Dafür erhielt er eine vergleichsweise geringfügige Strafe. In den letzten Jahren hielt Priem sich in der Öffentlichkeit mit derartigen Aktionen zurück.
Priem verfügt über beste Verbindungen ins Ausland, unter anderem zu
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