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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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wurden, viel zu spät, Schleusen geöffnet, daß aus Bürgern Flüchtlinge werden konnten, daß sich die Stadt wenigstens etwas leerte, bevor alles in ihr verbrannte. Ein Bataillon von Abwehrsoldaten hatte es, gegen äußere und innere Widerstände, zum Rand des Platzes geschafft, wo der Isottatempel gestanden hatte, hätte stehen müssen, gleich wieder stehen würde. Sie waren mit Waffen gekommen, und als sie, aus sicherer Entfernung, sich auf einem Grünstreifen postierten und die beiden Fremden sahen, beschlossen sie, sofort auf sie zu schießen. Von oben erkannten Walhaie mit hochauflösenden Linsen sehr genau, was da geschah, und schwiegen dazu, wie sie es immer getan hatten.
    Die Insekten, die ihre Ziele noch nicht gefunden hatten, gaben auf und schwärmten aus der Stadt.
    Es blieb der größte, erste Affe übrig, und ein paar kleinere, vielleicht zwei Dutzend.
    Die Abwehrleute auf dem Grünstreifen legten an und zielten gut, aber bevor sie den ersten Schuß abgeben konnten, blieb die Zeit stehen.
    »Ich bin Feuer«, sagte Fiamettina.
    »Ich bin Padmasambhava«, sagte Padmasambhava.
    »Was für ein Name«, sagte Feuer.
    Sie schaute sich um und ergänzte: »Was für ein Ort.«
    Er nickte. »Ja. Und dabei ist es noch nicht einmal der wahre; nur ein Modell. Komm, nimm meine Hände.«
    Sie tat es. Er zeigte ihr, mit einem Blick, mit einer Geste, wie man von hier irgendwohin reisen konnte, ohne daß Zeit verging. Das war sein Beitrag. Ihrer war: Sie bestimmte das Ziel.
    Die Kinder von Luchs und Wolf verschwanden.
    Licht fiel vom Himmel und verschlang die Reste der zerstörten Baulichkeiten.

XVII.
VOR DER BEFREIUNG
1. Teufelspakt statt Frühstück
    »Schluß! Aus! Dann trink ich ab heut zum Wachwerden eben Dosenbier, aus dem Supermarkt drüben!«
    Herr von Schnaub-Villalila hielt sich für alles andere als leicht erregbar. Im großen und ganzen hatte er damit recht. Was er statt dessen war, half ihm jetzt allerdings nicht weiter: mit Nadelstichen oder Schwerthieben kaum zu reizen, aber durch Dauerschikanen nach einer Weile so gründlich zu zermürben, daß er schreien und sich schütteln mußte. Die junge Frau an der Backwarentheke konnte nicht das geringste dafür. Es lag eher am Kapitalismus im besonderen und an der Dummheit im allgemeinen. Sie starrte wie mit der Waffe bedroht auf den jungen, hübschen, asiatisch aussehenden Deutschen im teuren Mailänder Anzug, der seine Tüte mit Dreikornbrötchen hin und her schwenkte, als wolle er ihr damit den Schädel einschlagen. Er rief den ganze Bahnhof zum Zeugen an: »Bier! Oder nichts! Nichts ist klasse, das schmeckt NOCH besser!«
    Das Problem war im Grunde, daß er keine Lust, nein: keine Kraft mehr hatte, allen alles zu erklären. Nicht auch noch beim Frühstück, nicht beim Brötchenkaufen. Der elende Beruf des Vermittelns, Auslegens und Überzeugens fing früh genug wieder an, sobald der Fraß verdrückt war. Dazu ein Wasser, war das zuviel verlangt? Mineralwässerchen. Normal, non ?
    Aber wie lief das seit Wochen, nämlich vom Tag der Schließung der netten Bäckerei in der Nähe des Altbaus, in dem Herr von Schnaub-Villalila ein geräumiges Penthouseapartment bewohnte? Wie lief das, seit er hierher laufen mußte, bevor er zum kaum weniger geräumigen Büro am andern Ende der Stadt fuhr?

    So:
    »Ein Dreikornbrötchen und ein Wasser, bitte.«
    »Wasser mit Kohlensäure oder ohne?«
    »Mit.«
    »Viel oder wenig? Classic? Medium?« Als ob's eine Weinprobe wäre.

    Nächster Morgen:
    »Ein Dreikornbrötchen und ein Wasser mit Kohlensäure.« Gegenfrage einer andern Backtante: »Wasssärr mitte Gas?« »Ja. Ja, mit Kohlensäure.« »Mitte Gas?«
    Herrgott, sure , dann halt mit Gas und Mineralfett aus der Plasmaschleuder: »Ja, ja, mit Gas.« »Viele odärr wenig?« Bitte wiederholen Sie den Scheiß, bis es weh tut.
    »Egal.«
    »Aber warum egal, bittä?«

    Dritter Versuch, vierundzwanzig Stunden später:
    »Ein Dreikornbrötchen und ein Wasser mit ganz total viel Gas.« Der Mensch, diesmal ein Kerl, wurde gleich pampig: »Was heißt mit Gas? Kohlensäure? Classic oder Medium?«

    Montagdienstagmittwochdonnerstagfreitag, und keine Sprachregelung war zu finden, es gehörte vermutlich zur Einweisung in den Job, daß man bei Wasserbestellungen, egal wie detailliert, grundsätzlich mindestens einmal nachzufragen gehalten war, damit der Patient in existentielle Zweifel gestürzt wurde.
    Die heutige blöde Frage hatte er, tobend und gestikulierend, bereits vergessen. Nur

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