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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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die Liebe, die er offensichtlich für Isolde empfand und die ihn bewogen hatte, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sie zu schützen.
    »Wusste M’man von dem Schwindel?«, fragte sie jedes Mal, wenn sie wieder von der Erinnerung eingeholt wurde, wie sie auf dem Cimetière de Montmartre neben einem leeren Sarg stand. »War ich als Einzige nicht eingeweiht?«
    »Ich habe mich ihr nicht anvertraut«, antwortete er. »Aber ich glaube, sie hat durchschaut, dass mehr dahintersteckte.«
    »Kein Tod«, sagte sie leise. »Und das Hospital? War sie schwanger?«
    »Nein. Eine Lüge mehr, um unser Täuschungsmanöver glaubhaft zu machen.«
    Nur in den stillen Augenblicken, wenn Anatole sie mal für kurze Zeit allein ließ, gab Léonie sich der bangen Frage hin, was der kommende Tag bringen mochte. Er wollte ihr nicht viel über seinen Feind verraten, nur, dass er Isolde während der kurzen Liaison großen Schmerz zugefügt hatte. Der Mann war Pariser, gestand er, und es war ihm offenkundig gelungen, die für ihn gelegte falsche Fährte zu durchschauen und sie bis in den Midi zu verfolgen. Allerdings konnte Anatole sich nicht erklären, wie er von Carcassonne auf Rennes-les-Bains gekommen war. Und er weigerte sich strikt, auch nur seinen Namen auszusprechen.
    Léonie lauschte, von welcher Besessenheit und Rachsucht der Feind ihres Bruders und ihrer Tante getrieben wurde – die Angriffe auf ihren Bruder in Zeitungskolumnen, der Überfall auf ihn in der Passage des Panoramas, die Anstrengungen, die der Mann auf sich nahm, um Isolde und Anatole zugrunde zu richten –, und hörte echte Angst in der Stimme ihres Bruders heraus.
    Sie sprachen nicht über den Ausgang des Duells, falls Anatole sein Ziel verfehlen sollte. Auf Drängen ihres Bruders gab Léonie ihm ihr Wort, Isolde umgehend im Schutz der Dunkelheit von der Domaine de la Cade wegzubringen, sollte er scheitern und nicht mehr in der Lage sein, sie alle zu schützen.
    »Dann ist er also kein Ehrenmann?«, fragte sie. »Du glaubst, er wird sich nicht an die Regeln des Duells halten?«
    »Genau das ist meine Befürchtung«, antwortete er ernst. »Sollte die Sache morgen schlecht für mich ausgehen, möchte ich nicht, dass Isolde hier ist, wenn er sie suchen kommt.«
    »Das klingt, als wäre er ein Teufel.«
    »Und ich ein Narr«, sagte Anatole leise, »weil ich geglaubt habe, es könnte irgendwie anders enden als so.«
     
    Später am Abend, nachdem Isolde sich für die Nacht zurückgezogen hatte, saßen Léonie und Anatole zusammen im Salon und legten sich eine Strategie für den folgenden Tag zurecht.
    Es behagte ihr nicht, bei einer Täuschung mitzumachen – zumal sie selbst Opfer einer solchen geworden war –, doch sie sah ein, dass Isolde in ihrem Zustand nicht erfahren durfte, was geschehen würde. Anatole bat sie, seine Frau irgendwie zu beschäftigen, damit er zur vereinbarten Stunde unbemerkt mit Pascal das Haus verlassen konnte. Er hatte Charles Denarnaud eine Nachricht geschickt mit der Bitte, sein Sekundant zu sein, was dieser unverzüglich zugesagt hatte. Dr. Gabignaud hatte sich widerwillig bereit erklärt, für den Fall des Falles medizinischen Beistand zu leisten.
    Obwohl Léonie mit einem Nicken ihr scheinbares Einverständnis signalisierte, hatte sie keineswegs die Absicht, Anatoles Wünsche zu befolgen. Sie konnte unmöglich tatenlos im Salon sitzen und zusehen, wie die Zeiger auf der Uhr langsam vorrückten, wohl wissend, welchen Kampf ihr Bruder zur selben Zeit ausfocht. Ihr war klar, dass sie die Verantwortung für Isolde zwischen Dämmerung und Einbruch der Nacht jemand anderem übergeben musste, obwohl sie noch keinerlei Ahnung hatte, wie sie das bewerkstelligen sollte.
    Doch sie ließ sich ihre geplante Unfolgsamkeit weder in Worten noch in Taten anmerken. Und Anatole wurde von seiner fieberhaften Planung so sehr in Anspruch genommen, dass er gar nicht auf den Gedanken kam, ihre Zustimmung in Zweifel zu ziehen.
    Als auch er sich für die Nacht zurückzog und den Salon mit einer einzelnen Kerze in der Hand verließ, um für den Weg ins Bett Licht zu haben, blieb Léonie noch eine Weile sitzen und überlegte, wie sich vielleicht doch noch alles zum Guten wenden ließe.
    Sie würde stark sein. Sie würde sich nicht von ihren Ängsten überwältigen lassen. Alles würde gut ausgehen. Anatole würde seinen Feind verwunden oder töten. Sie weigerte sich, eine andere Möglichkeit auch nur in Erwägung zu ziehen.
    Doch während die nächtlichen

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