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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Debussys Leben für sie realer wäre als ihre eigene Alltagsexistenz, was sie beunruhigend fand. Doch dann verwarf sie den Gedanken. Es war gut, ein klares Ziel vor Augen zu haben. Sie wollte den Abgabetermin einhalten, und dafür musste sie nur noch ein Weilchen länger dabeibleiben.
    Das Taxi hielt mit quietschenden Reifen.
    »Hôtel Axial-Beaubourg.
Voilà.
«
    Meredith bezahlte den Fahrer und ging hinein.
     
    Das Hotel war ziemlich modern. Es wirkte eher wie ein schickes Hotel in New York und entsprach nicht ihren Erwartungen für Paris.
    Kein französisches Flair.
    Überall gerade Linien und Glas; edel, minimalistisch. In der Lobby standen wuchtige kantige Sessel, hellgrün oder braun-weiß gestreift oder schwarz-weiß gemustert, um Rauchglastische gruppiert. Kunstzeitschriften, Ausgaben von
Vogue
und
Paris-Match
waren in Wandgestellen aus gebürstetem Chrom ausgelegt. Kolossale, übergroße Lampenschirme hingen von der Decke.
    Zu gewollt.
    Am hinteren Ende der langgestreckten Lobby befand sich die Bar, an der eine Reihe von Männern und Frauen etwas tranken. Jede Menge gestylte Körper und Maßgeschneidertes. Glänzende Cocktailshaker auf der schiefergrauen Theke; Glasflaschen, die in dem Spiegel unter blauem Neonlicht reflektiert wurden. Das Klimpern von Eis und das Klingen von Gläsern.
    Meredith zog eine andere Kreditkarte aus dem Portemonnaie als die, die sie in England benutzt hatte, nur für den Fall, dass sie mit Letzterer am Limit war, und ging zur Rezeption. Die Empfangsdame im eleganten grauen Hosenanzug war freundlich und effizient. Meredith freute sich, dass ihr angestaubtes Französisch verstanden wurde. Sie hatte es schon so lange nicht mehr gesprochen.
    Das kann nur ein gutes Zeichen sein.
    Sie lehnte das Angebot, sich ihr Gepäck aufs Zimmer bringen zu lassen, dankend ab und notierte sich das Passwort für den kabellosen Internetzugang, dann fuhr sie mit dem kleinen Lift in den zweiten Stock und folgte einem langen dunklen Korridor, bis sie die Nummer fand, die sie suchte.
    Das Zimmer war recht klein, aber sauber und geschmackvoll, komplett in Braun, Creme und Weiß gehalten. Der Zimmerservice hatte die Nachttischlampe eingeschaltet. Meredith strich mit der Hand über die Decke. Hochwertige Bettwäsche, die sich behaglich anfühlte. Viel Platz im Schrank, mehr als sie brauchte. Sie warf die Reisetasche aufs Bett, holte ihren Laptop aus der Handtasche, stellte ihn auf die Glasplatte des Schreibtischs und stöpselte ihn ein, um die Akkus aufzuladen.
    Dann ging sie ans Fenster, zog die Vorhänge beiseite und öffnete die Fensterläden. Verkehrslärm brandete ins Zimmer. Unten auf der Straße waren schick gekleidete Menschen unterwegs, um einen erstaunlich milden Oktoberabend zu genießen. Meredith beugte sich hinaus, schaute in alle Richtungen. An der Ecke gegenüber befand sich ein Kaufhaus, dessen Fensterläden geschlossen waren. Cafés und Bars, eine Pâtisserie und ein kleiner Lebensmittelladen waren geöffnet, und Musik drang nach draußen auf die Bürgersteige. Orangegelbe Straßenlaternen, Neonlampen, alles angestrahlt oder als Silhouette sichtbar. Die Farben der Nacht.
    Meredith stützte die Ellbogen auf die schwarze, schmiedeeiserne Balustrade, betrachtete die Szene eine Weile und wünschte, sie hätte noch genug Energie, nach unten zu gehen und sich unter das Treiben zu mischen. Dann rieb sie sich die Arme und merkte, dass sie Gänsehaut bekommen hatte.
    Sie trat ins Zimmer zurück, packte aus und verstaute ihre wenigen Sachen im Schrank, dann ging sie ins Bad. Es war hinter einer eigenartigen Falttür in einer Ecke des Zimmers versteckt und ebenfalls aggressiv minimalistisch in weißer Keramik gehalten. Sie duschte rasch, zog dann einen Bademantel und ein paar dicke Wollsocken an, goss sich ein Glas Rotwein aus der Minibar ein und setzte sich an den Schreibtisch, um ihre E-Mails durchzusehen.
    Die Verbindung klappte gut, aber es war nichts von Belang dabei – ein paar E-Mails von Freunden, die sich erkundigten, wie sie vorankam, eine von ihrer Mutter Mary, die wissen wollte, ob es ihr gutging, Werbung für ein Konzert. Meredith seufzte. Nichts von ihrem Verlag. Der erste Teil des Vorschusses hätte Ende September auf ihrem Konto sein müssen, aber bis zu ihrer Abreise war noch nichts eingegangen. Jetzt war Ende Oktober, und sie wurde allmählich nervös. Sie hatte die Zahlung angemahnt, und man hatte ihr versichert, dass alles nach Plan lief. Ihre finanzielle Lage war nicht prekär,

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