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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Besucher eingestellt.
    Ein großes steinernes Vogelbad stand trocken und leer in der Mitte eines breiten Kiesweges, der schnurgerade vom Tor zum Anwesen führte. Links von Léonie befand sich ein runder, gemauerter Zierteich mit einem rostigen Metallrahmen darüber. Auch er war ausgetrocknet. Rechter Hand wuchs eine Reihe Wacholderbüsche wild und ungepflegt. Etwas weiter hinten waren die Reste einer Orangerie zu sehen, die Glasscheiben fehlten, und das Gerüst war verbogen.
    Wenn sie zufällig hier vorbeigekommen wäre, hätte Léonie das Anwesen für verlassen gehalten, so einen verwahrlosten Eindruck machte es. Sie sah nach rechts und bemerkte ein Schild aus grauem Schiefer, das am Zaun hing und dessen Beschriftung teilweise unleserlich war durch tiefe Kratzer, die den Stein durchzogen. Wie Krallenspuren.
    Domaine de la Cade.
    Das Haus sah nicht so aus, als wollte es Besucher willkommen heißen.

Kapitel 24
    ∞
    I ch vermute, es gibt noch einen anderen Zugang zum Haus?«, fragte Anatole.
    »Oc,
Senhér«, antwortete Marieta. »Der Haupteingang ist auf der Nordseite. Der verstorbene Herr hat einen Weg von der Straße nach Sougraigne herauf anlegen lassen. Aber das ist ein Fußweg von gut einer Stunde, einmal ganz um Rennes-les-Bains herum und dann wieder den Berg hoch. Viel weiter als der alte Pfad durch den Wald.«
    »Und hat deine Herrin dich angewiesen, uns hier heraufzuführen, Marieta?«
    Das Mädchen wurde rot. »Sie hat nicht gesagt, dass ich Sie
nicht
durch den Wald raufführen soll«, sagte sie trotzig.
    Sie warteten geduldig, während Marieta in ihrer Schürzentasche kramte und schließlich einen großen Messingschlüssel hervorholte. Das Schloss öffnete sich mit einem lauten Klacken, dann stieß das Hausmädchen den rechten Torflügel auf. Als sie hindurch waren, schwang sie ihn wieder zu. Er bebte und quietschte und fiel dann scheppernd ins Schloss.
    Léonie hatte Schmetterlinge im Bauch, eine Mischung aus Nervosität und Aufregung. Sie kam sich vor wie die Heldin in ihrer eigenen Geschichte, als sie Anatole über die engen grünen Pfade folgte, die offensichtlich kaum benutzt wurden. Kurz darauf kam eine hohe Buchsbaumhecke in Sicht, in die eine bogenförmige Öffnung geschnitten war. Doch anstatt hindurchzugehen, marschierte Marieta weiter geradeaus, bis sie auf eine großzügige Einfahrt gelangten. Sie war mit Kies bestreut und in gutem Zustand, nicht vermoost oder mit Gras bewachsen, und wurde von
châtaigniers
gesäumt, Kastanienbäumen, deren Äste voller Früchte hingen.
    Endlich hatte Léonie das Haus vor Augen.
    »Oh«, hauchte sie bewundernd.
    Das Haus war herrlich. Imposant und doch mit guten Proportionen, war es an einer Stelle erbaut worden, an der es möglichst viel Sonne abbekam und zugleich herrliche Ausblicke nach Süden und Westen bot, was durch seine Lage oberhalb des Tales ermöglicht wurde. Es hatte drei Geschosse, ein sanft abfallendes Dach und Reihen von mit Läden versehenen Fenstern in vornehm weißgetünchten Mauern. Die Fenster im ersten Stock gingen allesamt auf steinerne Balkone mit geschwungenen Eisengeländern. Das gesamte Gebäude war mit flammend rotem und grünem Efeu bewachsen, der glänzte und schimmerte, als wäre jedes einzelne Blatt poliert worden.
    Als sie näher kamen, bemerkte Léonie, dass sich über die gesamte Länge des Simses im obersten Stockwerk ein Mäuerchen erstreckte, hinter dem acht runde Dachfenster zu sehen waren.
    Vielleicht hat M’man einst aus einem dieser Fenster nach unten geblickt?
    Eine weit ausladende, halbrunde Steintreppe führte zu einer mächtigen, tiefschwarz gestrichenen Flügeltür mit einem Türklopfer aus Messing und Zierleisten. Sie lag im Schutz eines gewölbten Vordaches, und rechts und links davon standen zwei wuchtige Pflanzkübel mit Zierkirschen.
    Léonie stieg die Treppe hinauf und folgte dem Hausmädchen und Anatole in eine weitläufige, elegante Eingangshalle. Der Boden hatte ein Schachbrettmuster aus schwarzen und roten Fliesen, und die Wände waren mit einer zart cremefarbenen Tapete bedeckt, deren gelb-grünes Blumenmuster den Eindruck von Licht und Raum vermittelte. Eine große Glasschale mit weißen Rosen zierte einen Mahagonitisch in der Mitte, der mit seinem glänzend polierten Holz zu einer intimen, gemütlichen Atmosphäre beitrug.
    An den Wänden gingen Porträts von schnurrbärtigen Männern in militärischen Uniformen und von Frauen in Reifröcken sowie eine Auswahl von diesigen Landschaften und klassischen

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