Die achte Offenbarung
keine Besucher aus der Zukunft sehen. Sie können nicht hier sein, weil wir den Empfänger noch nicht gebaut haben.«
»Du denkst also, man könnte Informationen in die Vergangenheit senden?«
»Das wäre jedenfalls viel einfacher als irgendwelche physischen Gegenstände. Aber auch dafür bräuchte man einen Empfänger. Hey, dann hätte man eine Art Zeit-Telefon, mit dem man in der Zukunft anrufen und sich die Lottozahlen vorhersagen lassen kann! Ich glaube, das lass ich mir mal patentieren!« Er lachte.
»Könnte nicht das menschliche Gehirn als eine Art Empfänger für Botschaften aus der Zukunft fungieren? Nur theoretisch, meine ich.«
»Hm. Wenn du ein paar physikalische Probleme außen vor lässt, theoretisch vielleicht schon. Man müsste ein elektromagnetisches Feld mit einem winzigen Wurmloch in die Vergangenheit schicken und versuchen, damit das Gehirn eines unserer Vorfahren zu beeinflussen, so wie man heute mit elektromagnetischen Feldern bestimmte Gehirnregionen aktivieren oder blockieren kann. Aber das wäre alles andere als einfach, und wahrscheinlich würde das Gehirn des armen Kerls dabei einfach gebraten.«
»Was ist mit dem Zeit-Paradoxon? Ich meine diese Sache, bei der man in die Vergangenheit reist und seinen Großvater umbringt. Solche Phänomene müsste es doch auch mit Informationen geben, oder?«
»Vermutlich schon. Aber das wäre nicht unbedingt ein Problem, wenn man die Viele-Welten-Interpretation der Quantentheorie zugrunde legt.«
»Du meinst, man würde die Vergangenheit beeinflussen, aber die Zukunft würde sich dann nur in einer Parallelwelt verändern, so dass es kein Paradox gibt?«
»Sieh an, du weißt ja schon einiges darüber! Aber es wäre nicht eine Parallelwelt, die man verändert, sondern unendlich viele.«
»Verstehe.« Dirk hatte also recht gehabt – das Zeit-Paradoxon war gar keines, wenn man annahm, dass die Viele-Welten-Interpretation korrekt war.
»Mir ist noch nicht klar, was dir das nützt«, warf Olaf ein. »Was hättest du davon, wenn dein Held Botschaften in die Vergangenheit schicken kann?«
»Ich könnte die Geschichten ja so schreiben, dass der Held nicht physisch in die Vergangenheit reist, sondern sich quasi in den Kopf eines Menschen aus früheren Zeiten versetzt. Das wäre dann vielleicht glaubwürdiger.«
»Ja, vielleicht. Aber ehrlich gesagt würde ich mir darüber nicht so viele Gedanken machen. Schreib ruhig eine Geschichte, in der dein Held mit einer richtigen Zeitmaschine in die Vergangenheit reist. Die Leser werden dir das nicht übelnehmen – sie wissen, dass das nur ein literarisches Hilfsmittel ist. Du solltest lieber darauf achten, dass die historischen Details deiner Geschichte stimmen, aber damit kennst du dich ja aus.«
»Ja, du hast vielleicht recht. Vielen Dank für deine Hilfe!!«
»Keine Ursache. Und schick mir die Geschichte, wenn sie fertig ist, ja?«
»Okay, mach ich.«
Paulus legte mit leicht schlechtem Gewissen auf. Er log nicht gern, selbst wenn es eine so harmlose Notlüge war.
»Wer war das?«, wollte Mele wissen.
»Ein Freund. Er ist Physiker.«
»Und was hat er gesagt?«
»Nichts, was mir wirklich weitergeholfen hätte.«
Ihre hellblauen Augen schienen ihn zu durchdringen. »Er hat gesagt, dass die Prophezeiungen in dem Buch aus der Zukunft stammen könnten, oder?«
»Nein, hat er nicht. Aber selbst wenn, würde das noch lange nicht heißen, dass es so ist!« Paulus merkte, dass seine Stimme gereizt klang, ohne dass er genau wusste, was ihn so ärgerte.
In Meles Gesicht lag so etwas wie Mitleid. »Ich kann verstehen, dass es dir schwerfällt, es zu akzeptieren«, sagte sie.
»Was zu akzeptieren?«, fragte Paulus irritiert.
»Dass du auserwählt wurdest.«
16.
Köln, Montag 19:40 Uhr
Dirk zuckte zusammen, als er Meles Worte hörte. Auserwählt! Die Art, wie sie das Wort betonte, zeigte deutlich, wie sehr sie von dem Hamburger fasziniert war. In ihrer naiven Weltsicht hielt sie Paulus wohl für so etwas wie einen Messias.
Mele war nicht religiös in dem Sinne, dass sie einer bestimmten Glaubensrichtung angehörte, aber sie glaubte auch nicht an Zufälle, das wusste Dirk nur zu gut. Sie hielt es für Vorsehung, dass sie Paulus auf der Domplatte begegnet war. Sie glaubte, eine wichtige Rolle zu spielen, die ihr das Schicksal zugewiesen hatte. Sie hielt es für ihre Bestimmung, an der Seite von Paulus das Rätsel des Buchs zu lösen.
Er, Dirk, spielte dagegen in ihrer Interpretation der Ereignisse
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