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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Gonzaga sogar unter der Kältefolter, die ihn beinahe das Leben gekostet hatte, bei seiner Behauptung, er habe das Turiner Original nach Burg Layenfels gebracht.
    Ohne Frage war das winzige Stück Stoff, das Brandgesicht aus dem Tuch geschnitten hatte, dadurch noch kostbarer geworden. Mit seiner Hilfe konnte bewiesen werden, dass das Tuch auf Burg Layenfels, trotz gegenteiliger wissenschaftlicher Erkenntnisse, doch das echte war.
    Anicet und seine obskure Bruderschaft waren mir nicht unbekannt. Schließlich war ich dabei, als Gonzaga das Tuch des Jesus von Nazareth ablieferte. Ich wollte deshalb Anicet die kostbare Stoffprobe andienen.
Doch Brandgesicht spielte ein falsches Spiel und bot das Objekt gleichzeitig einem gewissen Malberg an, der auf irgendeine Weise in den Fall verwickelt war. Während er, Soffici, Brandgesicht beschattete, wurde er Zeuge, wie dieser die Stoffprobe aus dem Grabtuch im Petersdom zum Kauf anbot. Das sollte er nicht ungestraft tun.
    Brandgesicht war äußerst unbeliebt in Kreisen der Unterwelt. Er galt als Einzelgänger, und solche Leute werden nicht sehr geschätzt. Sie sind unberechenbar und gefährlich. Dieselben Leute, die Brandgesicht bei der Entführung des Kardinalstaatssekretärs behilflich waren, schickten ihn letztlich ins Jenseits.
Ich habe das nicht gewollt. Ich hatte lediglich den Auftrag gegeben, ihm den Cellophanbeutel mit der Stoffprobe abzujagen. Von Mord war keine Rede. Der Herr sei seiner Seele gnädig.
    So dachte Monsignor Giancarlo Soffici am Steuer des dunkelblauen Mercedes. Der traumhaften Rheinlandschaft zwischen Eltville und Assmannshausen, die zu keiner Zeit schöner ist als im Herbst, wenn die Weinberge in Rot und Gold erstrahlen, schenkte er kaum Beachtung. Die Hügel und Berge rechter Hand der Uferstraße dampften in der Vormittagssonne. Durch die halb geöffnete Seitenscheibe drang der leicht morbide Flussgeruch. Nach dem Regen der vergangenen Tage hatte der Rhein eine braune Farbe angenommen.
    In Lorch wandte Soffici sich nach rechts und nahm die schmale Landstraße ins Wispertal. Den Weg hatte er noch in guter Erinnerung. Am schweren Rolltor angelangt, das jedem Ungebetenen den Zutritt zu Burg Layenfels verwehrte, verharrte Soffici einen Augenblick bei laufendem Motor. Bewusst hatte er seine Ankunft nicht angekündigt.
    Neugierig und mit finsterem Blick steckte der Wächter seinen Kopf durch das winzige Fenster des Torturms.
    »Apokalypse 20,7!«, rief Soffici dem Alten zu. »Melden Sie mich bei Anicet. Mein Name ist Soffici. Wir kennen uns.«
    Weniger die letzte Bemerkung als vielmehr das Codewort führte dazu, dass das Eisengatter sich mit einem gewissen Automatismus öffnete, und mit demselben Automatismus verwandelte sich auch die finstere Miene des Torwärters in ein gezwungenes Lächeln.
    Soffici gab Gas. Der gepflasterte Weg in den höher gelegenen Burghof ging steil bergan. Im ersten Gang heulte der Motor der dienstlichen Limousine laut auf. Oben angelangt, stellte Soffici den Motor ab und stieg aus.
    In dem mit Katzenkopfpflaster versehenen Innenhof herrschte Stille. Aus der Ferne fing sich in den sechsstöckigen Wänden das ratternde Geräusch eines ICE, der unten am linken Rheinufer vorbeidonnerte. Die Wände waren feucht, und es roch muffig. Alle Fenster bis auf eines, rechter Hand im ersten Stockwerk gelegen, waren geschlossen. Dahinter tauchte das bleiche Gesicht Anicets auf. Die langen Haare streng nach hinten gekämmt wie der Schauspieler Bernhard Minetti kurz vor seinem Ableben, warf er Soffici einen prüfenden Blick zu.
    Er hätte kein Wort zu sagen gebraucht, allein sein abweisender Gesichtsausdruck verriet seine Rede: »Ich kann mich nicht erinnern, Sie herbestellt zu haben. Wie kommen Sie überhaupt hier herein? Wer schickt Sie?«
    Im Vergleich zu seinem ersten Besuch auf Burg Layenfels wirkte der Sekretär des Kardinals keineswegs schüchtern und zögerlich. Im Gegenteil, Soffici setzte ein überlegenes Lächeln auf, eine Regung, die unter den Fideles Fidei Flagrantes absolut unbekannt war, und er antwortete: »Zunächst grüße ich Sie herzlich. Allerdings möchte ich vorschlagen, unser Gespräch nicht zwischen Tür und Angel zu führen. Es könnte durchaus sein, dass hier die Wände Ohren haben wie im Vatikan und dass es Ihnen gar nicht so angenehm ist, wenn andere Zeugen unserer Unterhaltung werden.«
    Anicet schloss geräuschvoll das Fenster. Nach wenigen Augenblicken erschien er in der darunter liegenden spitzbogigen Tür,

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