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Die Achtsamkeits-Revolution

Die Achtsamkeits-Revolution

Titel: Die Achtsamkeits-Revolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Wallace
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die mit der Atmung verbundenen taktilen Sinneswahrnehmungen gerich tet sind, zeigt das einen relativ hohen Stabilitätsgrad an. Beim zerstreuten Geist hingegen ist ein hoher Anteil dieser fünfzig feststellenden Momente auf verschiedene Wahrnehmungsfelder verteilt. Stabilität bedeutet Kohärenz in Bezug auf das gewählte Objekt. Wenn wir uns entspannen, die Achtsamkeit sich stabilisiert und die Wachheit und Schärfe der Achtsamkeit zunehmen, erleben wir unter Umständen eine höhere Dichte solcher feststellender Be- wusstseinsmomente pro Sekunde. So kann sich zum Beispiel die Anzahl der auf unser gewähltes Objekt gerichteten feststellenden Momente von fünfzig auf hundert erhöhen.
    Im hypnagogen Bewusstseinszustand - ein Zustand tiefer Entspanntheit beim Einschlafen, bei dem unser geistiges Bewusstsein von den Körpersinnen abgezogen ist - kann ein hoher Grad an Luzidität auftreten. Ich vermute, dass dieses in dieser Ubergangsphase des Bewusstseins und in manchen Träumen auftretende Phänomen teilweise auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass der Geist entspannt und von den Sinnen abgezogen ist, dass es also wenig Konkurrenz vonseiten anderer Reize gibt. Aber Träume sind normalerweise nicht stabil, und gewöhnlich haben wir auch keine Kontrolle über sie. Deshalb beginnt das Shamatha-Training zunächst mit der Entspannung, dann folgt das Stabilisieren der Achtsamkeit, und schließlich gilt es, die wache, klare Schärfe der Achtsamkeit zu steigern, während Entspannung und Stabilität beibehalten werden.  Viele Meditierende legen in ihrer Praxis den Nachdruck auf Wachheit, Klarheit und Schärfe der Achtsamkeit, weil sie wissen, dass ihnen das eine Art »High« verschafft. Doch die Vorbedingungen dafür, dass man diese Art von Achtsamkeit auf Dauer erlangt, nennen sich Entspannung und Stabilität. Das heißt, Sie sollten erst die Entspannung, dann die Stabilität entwickeln, entfalten und pflegen, und schließlich die Wachheit, Klarheit und Schärfe der Achtsamkeit steigern. Allen diesen Achtsamkeits-Aspekten muss ein Fundament des Gleichmuts zugrunde liegen. Ohne diese Grundlage würden sich die starken Achtsamkeits- und Gefühlsschwankungen wahrscheinlich endlos fortsetzen. Eines der allgemeinen Anzeichen für den spirituellen Fortschritt ist die Unerschütterlichkeit angesichts der Launen des Schicksals, und der Gleichmut liefert dazu den Schlüssel.
    ZWISCHENSPIEL · GLEICHMUT
    D as Kultivieren von Gleichmut dient als Gegenmittel für zwei der grundlegenden unheilsamen Geisteszustände oder Geis-tesplagen: Anhaftung und Ablehnung. Wenn man sich an die mit Shamatha einhergehende gelassene Heiterkeit klammert, ist auch das Anhaftung. Und Ablehnung kann dadurch entstehen, dass man alle die Praxis behindernden Ablenkungen, auch andere Leute, als unangenehme Hindernisse ansieht, die unserem Wohlbefinden entgegenstehen. Die Essenz von Gleichmut ist Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit. Durch Gleichmut lassen sich Liebende Güte, Mitgefühl und Mitfreude ins Grenzlose ausdehnen. Normalerweise sind diese Qualitäten mit Anhaftung vermengt, aber wir entwachsen der negativen Geistesregung der Anhaftung, wenn wir wirklich erkennen, dass jedes fühlende Wesen es gleichermaßen wert ist, Glück zu finden und von Leiden frei zu sein. Im Buddhismus betrachtet man das Gefühl von einem unwandelbaren, einheitlichen, unabhängigen »Ich« als eine Kernursache des Leidens. Das Kleben an dieser Illusion von einem autonomen Ich oder Ego führt zur Uberzeugung, dass mein eigenes Wohlbefinden wichtiger ist als das anderer Leute. Normalerweise leben wir in einer Struktur von konzentrischen »Zuneigungs«-Kreisen, in deren Mittelpunkt wir selber stehen. Der erste Kreis vom Zentrum ausgehend umfasst unsere geliebten Menschen und lieben Freunde, und der nächstfolgende Kreis die uns freundlich gesinnten Bekannten. Weiter außen findet sich ein sehr großer Kreis von Leuten, denen wir neutral gegenüberstehen. Und der äußerste Kreis umfasst Menschen, die wir als Feinde betrachten; Leute, die unserer Meinung nach unser Verlangen nach Glück zunichte gemacht haben oder es vielleicht tun könnten. Diese Aufstellung einer Prioritätenliste unserer Gefühle für andere festigt den Fortbestand unserer Ichbezogenheit oder »Egozentrik«. Gleichmut überwindet solche Ichbezogenheit und die daraus resultierende Anhaftung an andere und Ablehnung von anderen.
    Manchmal können uns Ereignisse im Alltagsleben eine gewisse

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