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Die Achtsamkeits-Revolution

Die Achtsamkeits-Revolution

Titel: Die Achtsamkeits-Revolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Wallace
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Atmung verbundenen Kör- perempfindungen sehr genau zu beobachten, ohne Kontrolle über sie auszuüben. Jetzt sind Sie mit einer ähnlichen Herausforderung konfrontiert, nämlich der, die im Geist auftretenden Ereignisse sehr genau zu beobachten, ohne sie in irgendeiner Weise zu regulieren oder einschätzend zu beurteilen. Ein tibetischer Spruch lautet: »Lass deinen Geist einen anmutigen Gastgeber inmitten von ungebärdigen Gästen sein.« Bei der Shamatha-Praxis der Achtsamkeit auf die Atmung lassen Sie die Gedanken los, lassen Sie sie ziehen, sobald Sie sie bemerken, und richten Ihre Achtsamkeit wieder auf den Atem. Jetzt aber lassen Sie die Gedanken nicht los, sondern Sie lassen sie sein. Ziehen Sie nicht die eine Art Gedanken einer anderen vor. Vermeiden Sie es, von irgendwelchen mentalen Bildern auf irgendeine Weise angezogen oder abgestoßen zu werden. Ziehen Sie nicht einmal die Abwesenheit von Gedanken der Anwesenheit von Gedanken vor. Diese sind nicht das Problem. Machen Sie sich diesen entscheidenden Unterschied zur vorherigen Praxis klar.
    Bei der Achtsamkeit auf die Atmung haben Sie die Stabilität Ihres Achtsamkeitszustandes an einem kontinuierlich vorhandenen Objekt gemessen - an den mit der Atmung verbundenen
     

    Empfindungen. Wenn Sie aber den Geist in seinem natürlichen Zustand zur Ruhe kommen lassen, sind die Gedanken alles andere als kontinuierlich. Sie kommen und gehen sporadisch, somit kann für das Bemessen der Stabilität der Achtsamkeit kein Bezug zu einem spezifischen Objekt hergestellt werden. Sie ist eine Eigenschaft Ihres subjektiven Gewahrseins. Auch wenn Gedanken unterwegs sind, bleibt Ihr Gewahrsein still und unbewegt, weil Sie sich weder von ihnen ablenken lassen noch nach ihnen greifen. Das nennt man die Verschmelzung von Ruhe und Bewegung.
    Sie werden im Verlauf dieses Trainings Phasen erleben, in denen Ihr Geist leer zu sein scheint. Gedanken und mentale Bilder scheinen verschwunden zu sein. Dann sollen Sie die Klarheit und Schärfe Ihrer Achtsamkeit erhöhen, um festzustellen, ob Sie subtile mentale Ereignisse ausmachen können, die sich knapp unterhalb Ihrer Gewahrseinsschwelle verbargen. Das ist einer der Gründe für das Uberwechseln zu dieser Technik, nachdem Sie die vierte Stufe der Entwicklung der Achtsamkeit erlangt haben: Sie sind ständig herausgefordert, die Klarheit und Schärfe der Achtsamkeit wachzuhalten, ohne deren Stabilität zu verlieren. Beobachten Sie sehr genau, atmen Sie aber weiterhin normal. Lassen Sie nicht zu, dass die Intensität Ihres Gewahrseins den Atemfluss in seiner Natürlichkeit beeinträchtigt. Wenn Sie selbst bei genauester Untersuchung und Uberprüfung keine Ereignisse im Raum Ihres mentalen Gewahrseins auszumachen vermögen, dann seien Sie sich einfach jenes leeren Raums gewahr. Meditationsgegenstand bei dieser Praxis ist sowohl der Raum des Geistes wie auch alles, was sich darin erhebt. Sie können also immer weiter praktizieren, mit oder ohne Erscheinungen, die im Geist auftauchen.
    Lass das Herzstück deiner Praxis das Bewusstsein in seinem natürlichen Zustand sein, klar und spontan. Handle als dein eigener Mentor. Wenn du die wesentlichen Punkte zur Voll
    endung bringen kannst, so als würdest du einen Faden in ein Nadelöhr einfädeln, dann werden die Geistesplagen in deinem Geistesstrom abklingen, wirst du die Autonomie erlangen, dich ihnen nicht zu ergeben, und dein Geist wird beständig ruhig und gleichmütig sein. Dies ist eine gesunde Basis für das Entstehen aller Zustände meditativer Konzentration auf der Erzeu- gungs- und Vollendungsstufe.
    Zwar ist es äußerst hilfreich, wenn man unter der Anleitung eines qualifizierten Lehrers praktiziert, aber wenn man dann auf dem Kissen sitzt, muss man sein eigener Mentor sein und die vom Lehrer erhaltenen Belehrungen umsetzen. Diese Praxis erfordert Feingefühl und Fingerspitzengefühl wie das Einfädeln eines Fadens ins Nadelöhr; das ist keine Herkulesarbeit nach Art des Gewichthebens. Machen Sie sich klar, dass bei der Shamatha-Praxis »sein Bestes tun« nicht gleichbedeutend mit »höchstmöglicher Anstrengung« ist. Wenn Sie sich im Höchstmaß »anstrengen«, strengen Sie sich zu sehr an und werden, wenn Sie so weitermachen, schließlich ausbrennen. Dass Sie dabei sind, Shamatha mit Intelligenz, Einfühlungsvermögen, Geduld und Enthusiasmus zu kultivieren, heißt nicht, dass Sie von all Ihren Leid verursachenden Emotionen und negativen Geistesregungen unumstößlich geheilt

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