Die Achtsamkeits-Revolution
Begriff Lebenswelt vergleichbar
ist, die Welt der Erfahrung. Wie der Traum existiert auch die Welt
der Erfahrung im Wachzustand nicht unabhängig von unseren
Wahrnehmungen von ihr. Die Übungen bei Tage in Vorbereitung
auf das luzide Träumen in der Nacht könnten helfen, dass Sie
wach werden für die Natur Ihrer Welt der Erfahrung. Die effektivs-
te Lernmethode für das Erlangen von Luzidität ist die, dass Sie
eine »kritisch-nachdenkliche Einstellung« gegenüber Ihrem Be-
wusstseinszustand entwickeln, indem Sie sich fragen, ob Sie in Ih-
rem Wachzustand träumen oder nicht.
»AUFWACHEN« AM TAGE
Die untertags durchgeführten Praxisübungen für das luzide Träumen bestehen 1) aus »Zustand-Checks«, 2) dem Ausschauhalten nach Traumzeichen und 3) dem Vorsatz, nächtens luzide zu träumen.
Zustand-Checks
Ein Zustand-Check erlaubt Ihnen festzustellen, ob Sie im Moment wach sind oder träumen. Im Wachzustand ist die von Ihnen wahrgenommene und erlebte dingliche Welt von Ihrem Geist nicht komplett abhängig. Wenn Sie zum Beispiel diese Buchseiten lesen, werden die von Ihnen visuell wahrgenommenen Bilder zwar im Gehirn erzeugt, doch Papier und Druckfarbe wurden von anderen Menschen produziert und bestehen aus chemischen Substanzen, die in ihrer Existenz nicht davon abhängen, dass Sie sie wahrnehmen. Wenn Sie den Blick für einen Augenblick vom Buch abwenden, werden Papier und Druckfarbe weiterhin existieren, auch wenn ihr visuelles Erscheinungsbild nicht mehr vorhanden ist. Angesichts dieses Unabhängigkeitsstatus des Buches von Ihrer per
sönlichen Wahrnehmung werden Sie jedes Mal, wenn Sie wieder auf die Zeilen dieser Seite blicken, die gleichen Worte sehen. Wenn Sie aber im Moment träumen würden, würde dieses Buch keine von Ihrer Wahrnehmung unabhängige Existenz besitzen. Es wäre ganz und gar eine Schöpfung Ihres Geistes. Wenn Sie also Ihren Blick für einen Moment vom geträumten Buch abwenden würden, wäre es überhaupt nicht mehr vorhanden. Aus der Sicht geraten, wäre es auch aus dem Sinn verschwunden und würde zu existieren aufhören. Angesichts der im Traum nicht vorhandenen Kontinuität eines objektiv existierenden Buches würden, wenn Sie den Blick wieder auf das Buch richteten, die Worte sich zu 77 Prozent verändern, und wenn Sie den Text noch ein zweites Mal durchläsen, zu 95 Prozent.
Probieren Sie es jetzt gleich aus. Wenden Sie den Blick ein paar Sekunden lang ab und richten Sie ihn dann wieder auf diese Seite. Wenn sich die Worte geändert haben (dazu müssen Sie sich natürlich daran erinnern, wie sie davor lauteten), träumen Sie fast mit Sicherheit. Wenn Sie dieselben bleiben, sind Sie wahrscheinlich wach. Wenn Sie das ein zweites und sogar drittes Mal machen und die Worte immer dieselben bleiben, können Sie mit immer noch größerer Gewissheit daraus folgern, dass Sie nicht träumen. Wenn sich die Worte aber auch nur einmal ändern, liegen Sie wahrscheinlich richtig, wenn Sie daraus schließen, dass Sie träumen.
Diese Übung kommt Ihnen vielleicht albern vor, weil Sie wahrscheinlich schon relativ sicher waren, nicht zu träumen. Aber im Traumzustand glauben wir das üblicherweise auch. Wir halten das, was wir in unserem Umfeld wahrnehmen, für objektiv real, meinen, dass es unabhängig von unserem Gewahrsein existiert, und reagieren auf die Ereignisse so, als wären wir wach. Wenn Sie aber im Verlauf des Tages immer mal wieder Zustand-Checks durchführen, können Sie feststellen, ob Sie wach sind oder träumen. Und wenn Sie sich mit dieser Methode vertraut gemacht
haben, können Sie diese Gewohnheit vielleicht in den Traum-
zustand mitnehmen. Wenn Sie sie dann dort anwenden, werden
Sie plötzlich entdecken, dass Sie tatsächlich träumen. Und so fan-
gen Sie an, luzide zu träumen.
Bei der Shamatha-Praxis entwickeln Sie das auf die Gegenwart
gerichtete Erinnerungsvermögen - zum Beispiel wenn Sie in Erin-
nerung behalten, dass Sie die Achtsamkeit im fortwährenden Fluss
des gegenwärtigen Augenblicks auf das von Ihnen gewählte Ob-
jekt fokussiert halten. Sie behalten auch prospektiv im Gedächt-
nis, wie Sie Unausgewogenheiten und Störungen in der Achtsam-
keit erkennen und wie Sie Sinken oder Erregung beheben, wenn
sie entstehen. Ganz ähnlich beinhaltet die am Tag geübte Methode
für das luzide Träumen die prospektive Erinnerung daran, dass Sie
untertags Zustand-Checks durchführen. Und wenn Sie sich am
Tage einmal in einer außergewöhnlich merkwürdigen
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