Die Achtsamkeits-Revolution
erlangt: Die Praxis erfüllt Sie nun mit Freu-
de. Sie motiviert Sie, weiterzumachen und sich mit den künftigen,
immer subtiler werdenden Herausforderungen zu befassen. Nach-
dem Sie den mittleren Grad von Laschheit überwunden haben,
bleibt eine subtile Laschheit, bei der das Objekt der Achtsamkeit
scharf und klar erscheint, die Aufmerksamkeit jedoch ein bisschen
schlaff ist. Nur eine in der Meditation äußerst fortgeschrittene Per-
son ist imstande, einen derart subtilen Grad an Laschheit zu erkennen. Er wird nur in Zusammenhang mit dem außerordentlich hohen Maß an Wachheit, Schärfe und Klarheit erkannt, zu dem der geschulte Geist fähig ist. Auch die subtile Erregung tritt ab und zu auf. Wie schon empfohlen rufen Sie, wenn ein Sinken einsetzt, Ihre Aufmerksamkeit und Achtsamkeit wach, und entspannen Sie sich ein wenig, wenn Erregung auftritt. Aufgrund Ihrer fein geschliffenen Fähigkeit zur Selbstbeobachtung werden auf der siebten Stufe diese subtilen Unausgewogenheiten der Achtsamkeit rasch erkannt und leicht behoben. Das tibetische Wort gom, gewöhnlich mit »Meditation« übersetzt, hat auch die Mitbedeutung von Vertrautheit, und das ist die Qualität, die Ihre Erfahrung auf der Stufe der vollständig beruhigten Achtsamkeit auszeichnet. Sie sind jetzt sehr geschickt im Ausbalancieren und Verfeinern der Achtsamkeit, und die restliche Reisestrecke zur Verwirklichung von Shamatha geht es nur noch bergab.
Mit dem Erreichen dieser siebten Stufe haben Sie Ihren Geist so geschult, dass Ihre Meditationssitzungen mindestens zwei Stunden dauern können, ohne auch nur im Geringsten eine Unterbrechung durch Sinken und Erregung zu erfahren. Beide bisher vorgestellten Shamatha-Ubungsmethoden - Achtsamkeit auf die Atmung und Den-Geist-in-seinem-natürlichen-Zustand-zur-Ru- he-Bringen - beinhalten, dass Sie beim Praktizieren nach und nach immer weniger tun. Bei der Achtsamkeit auf die Atmung gibt es eine Menge, was Sie nicht tun, aber Sie lösen sich doch nach wie vor von den aufkommenden unfreiwilligen Gedanken. Sie ziehen es vor, dass Ihr Geist nicht denkt und still ist, statt dass ständig weitschweifige Gedanken und mentale Bilder auftauchen. Wenn Sie den Geist in seinem natürlichen Zustand zur Ruhe bringen, tun Sie sogar noch weniger. Jetzt bevorzugen Sie nicht einmal mehr die Abwesenheit von Gedanken. Statt sich ganz bewusst von ihnen zu lösen - sie aus dem Bewusstsein zu verbannen —, lassen
Sie sie sein, wie sie sind, ohne sie auch nur irgendwie zu beeinflussen. Sie bewahren einfach ständige Achtsamkeit auf den Raum des Geistes und die Ereignisse, die darin auftreten.
DIE PRAXIS:
DEN GEIST IN SEINEM NATÜRLICHEN ZUSTAND ZUR RUHE BRINGEN - DIE BEWEGUNG DES GEISTES BEOBACHTEN
Der Erste Panchen Lama nannte diese Praxis Meditation über die relative Natur des Geistes 65 , und Düdjom Lingpa nannte sie Erscheinungen und Gewahrsein zum Pfad nehmend Der Erste Panchen Lama beschreibt diese Praxis wie folgt:
Welcherart Gedanken auch immer entstehen, unterdrücke sie nicht; erkenne, wo sie sich bewegen und wohin sie sich bewegen und konzentriere dich, während du die Natur dieser Gedanken beobachtest. Wenn du so vorgehst, wird ihre Bewegung schließlich aufhören, und da ist stille Unbewegtheit. Das ist wie beim Beispiel mit dem aus dem Käfig entlassenen Vogel, den man lange an Bord eines Schiffes gehalten hat und der sich nun zum Flug übers Meer aufmacht. Praktiziere in Ubereinstimmung mit der Beschreibung in (Sarahas) Lied der Verwirklichung;. »Wie ein Rabe, der vom Schiff auffliegt, in alle Richtungen Kreise zieht und dann wieder an Bord landet.« 67
In alten Zeiten ließen die indischen Seeleute, wenn sie weit übers Meer gesegelt waren, einen Raben frei, den sie an Bord in einem Käfig gehalten hatten, und beobachteten seinen Flug. Der Vogel stieg immer höher und höher in die Lüfte, zog immer weitere und weitere Kreise, und wenn er dann in eine bestimmte Richtung ganz davonflog, wusste der Steuermann, in welcher Richtung das
nächste Ufer zu finden war. War aber für den Raben kein Land in Sicht, hatte er, so gerne er auch irgendwo anders gelandet wäre, da er nicht schwimmen konnte, keine andere Wahl, als wieder zum Schiff zurückzukehren. Und so lassen Sie, wenn Gedanken aufkommen, sie ihren Kurs nehmen, ganz egal welcher Natur sie sind oder wie lange es dauert. Am Ende können sie nur wieder im Raum des Gewahrseins verschwinden, aus dem sie ursprünglich aufgestiegen sind. Bei dieser
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