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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Kopf.
    Die Wagentür öffnete sich, und Krempel versetzte mir einen Tritt in den Hintern, sodass ich vor der Sitzbank auf dem Fußboden zu liegen kam. Einen Moment später wurde die Tür krachend zugeworfen, und wir setzten uns in Bewegung. Vorwärts, schätzte ich, doch es fühlte sich an, als führen wir auf einem Karussell im Lunapark im Kreis, wieder und wieder. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich gebracht wurde, und es dauerte nicht lange, bevor es mir auch mehr oder weniger egal war.
    Ich hätte mich nicht schlimmer fühlen können, wenn ich nackt im Fenster eines Bestattungsunternehmers gelegen hätte.
     

Kapitel 32
    Ich war auf See, und es tobte ein schwerer Sturm. Das Deck wankte wie eine Schaukel, und dann traf mich eine Welle aus eisigem Wasser mitten ins Gesicht. Ich schüttelte den schmerzenden Kopf und öffnete Augen, die sich anfühlten wie zwei ausgelöffelte Austernschalen, in denen Tabascosauce schwamm. Eine zweite Welle traf mich. Nur, dass das Wasser nicht von einer Welle stammte, sondern von einem Eimer in den Händen Gerhard Krempels. Doch wir waren tatsächlich auf Deck eines Schiffs, oder zumindest einer größeren Jacht. Hinter Krempel stand Max Reles, angezogen wie ein reicher Mann, der Schiffskapitän spielt. Er trug einen blauen Blazer, weiße Hosen, ein weißes Hemd und eine Krawatte, dazu eine weiße Schirmmütze. Alles rings um uns war weiß, und es dauerte ein paar Sekunden, bis mir klar wurde, dass helllichter Tag war und Nebel uns umgab.
    Reles bewegte den Mund, und zwischen seinen Lippen quoll weißer Dunst hervor. Es war kalt. Eisig kalt. Im ersten Moment glaubte ich, er würde Norwegisch reden. Oder Dänisch? Irgendeine kalte Sprache jedenfalls. Erst als mich ein dritter Eimer Wasser, eingeholt mit einem Seil über die Reling der Jacht, mitten ins Gesicht traf, begriff ich, dass er Deutsch mit mir redete.
    «Guten Morgen», sagte Max Reles. «Und willkommen daheim. Wir hatten schon angefangen, uns ein wenig zu sorgen, Herr Gunther. Wissen Sie, ich dachte immer, ihr Michels könntet mehr vertragen. Aber Sie waren eine ganze Weile bewusstlos. Eine beträchtliche Unannehmlichkeit, die Sie mir da bereitet haben, wie ich erwähnen möchte.»
    Ich saß auf einem polierten Holzdeck und starrte zu ihm hinauf. Ich versuchte aufzustehen, doch meine Hände waren in meinem Schoß gefesselt. Schlimmer noch erschien mir - angesichts der Tatsache, dass wir draußen auf dem Wasser waren -, dass ich auch an den Füßen gefesselt war, und zwar mit einem Seil an einem Block aus grauem Beton neben mir auf dem Deck.
    Ich beugte mich zur Seite und würgte beinahe eine Minute lang. Und staunte nicht schlecht, dass meine Stimme ein solches Geräusch zu erzeugen imstande war. Es klang, als stülpte sich ein lebendiges Wesen von innen nach außen. Während ich zugange war, entfernte sich Reles mit einem angewiderten Ausdruck in der Hackfresse. Als er zurückkehrte, war Dora neben ihm. Sie trug ihren Pelzmantel und eine dazu passende Pelzmütze. In der Hand hielt sie ein Glas Wasser.
    Sie beförderte es an meine Lippen und half mir beim Trinken. Als ich es geleert hatte, nickte ich ihr dankbar zu, dann versuchte ich, meine Situation einzuschätzen. Ich schätzte sie nicht sehr. Mein Mantel, mein Hut, meine Jacke waren verschwunden, und mein Kopf fühlte sich an, als wäre er für das Finale des Mitropa-Cups benutzt worden. Der ätzende Gestank von Reles' dicker Zigarre drehte mir den Magen um. Ich saß in der Klemme. Ich hatte das schlimme Gefühl - neben vielen anderen schlimmen Gefühlen -, dass Max Reles mir praktisch demonstrieren wollte, wie Eric Goerz den Leichnam von Isaac Deutsch beseitigt hatte. Ich kam mir vor wie ein Hund, den man an die Gleise einer Hochgeschwindigkeitsbahn gekettet hatte.
    «Geht es ein wenig besser?» Er setzte sich auf den Betonklotz neben mir. «Es ist noch ein wenig früh, könnte man meinen. Doch ich fürchte, besser als jetzt werden Sie sich nicht mehr fühlen in diesem Leben, Herr Gunther. Genaugenommen kann ich es sogar garantieren.»
    Er zog an seiner Zigarre und kicherte. Dora beugte sich über die Reling und starrte hinaus in ein graues Nichts, in dem wir zu schweben schienen wie verlorene Seelen. Krempel stand mit in die Hüften gestemmten Fäusten über mir und sah aus, als wartete er nur auf das Kommando, mich zu schlagen.
    «Sie hätten auf den Grafen von Helldorf hören sollen, Gunther. Ich meine, deutlicher hätte er nicht werden können, oder? Aber nein, Sie

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