Die Akte Nr. 113
Junge ist schier
unverbesserlich, er wird Sie zugrunde richten, wie er mich bereits
zugrunde gerichtet hat. Er hat Schulden – es gibt nur ein
Mittel ihn zu retten. Ich muß zu Vermögen kommen,
dann kann ich ihn aus Wuchererhänden befreien, ihn instand
setzen, angemessen zu leben ...«
»Und wie wollen Sie das bewerkstelligen?«
fragte Valentine mit bebenden Lippen, denn sie sah eine ungeheuerliche
Forderung voraus.
»Die Katastrophe ist unabwendbar,« sagte der
Marquis langsam, »wenn ich nicht Magda zur Frau
bekomme.«
Diese unerwartete Erklärung traf die
unglückliche Frau ins tiefste Herz.
»Und Sie können glauben, daß ich zu
solcher Schändlichkeit die Hand biete?«
Mit der ruhigsten Miene von der Welt nickte der Marquis mit
dem Kopfe und sagte: »Ja, das glaube ich.«
Diese Unverfrorenheit entrüstete Frau Fauvel aufs
höchste.
»Nun ist es genug,« rief sie, »ich
habe mich Ihnen gegenüber lange genug schwach und feige
gezeigt und habe vieles erduldet, an meiner Familie aber sollen Sie
sich nicht vergreifen!«
»Wäre es denn ein Unglück
für Fräulein Magda, Marquise von Clameran zu
werden?«
»Meine Nichte hat schon ihre Wahl getroffen, sie wird
sich demnächst mit Herrn Prosper Bertomy verloben.«
»Aber sie ist noch nicht verlobt, sie wird diese
Backfischneigung vergessen, sobald sie weiß, daß Sie ihre Verbindung
mit mir wünschen.«
»Ich wünsche sie aber nicht.«
»Frau Fauvel,« sagte der Marquis scharf,
»vergeuden wir die Zeit nicht mit unnützen
Streitigkeiten. Sie wissen, mit solchem Geplänkel haben Sie
immer begonnen, um schließlich einzusehen, daß ich
recht habe, und daß Sie sich fügen müssen .
Sie werden auch diesmal nachgeben.«
»Nein,« rief sie mit Festigkeit.
»Nein!«
Er beachtete ihre Unterbrechung nicht.
»Ich bestehe ja auf diese Heirat
hauptsächlich Ihretwillen,« fuhr er fort,
»Sie sind am Rande Ihrer Mittel – was dann? Sie
haben schon bedeutend mehr verausgabt, als Sie vor Ihrem Manne
verantworten können – was dann, wenn es ihm
einfällt, von Ihnen Rechenschaft über die fehlenden
Summen zu verlangen?«
Frau Fauvel schauderte, der Marquis hatte nur zu recht, dies
Schreckliche konnte jeden Augenblick über sie hereinbrechen.
»Magdas Mitgift würde mich in den Stand
setzen, Ihr Defizit zu decken, Sie zu retten,« sagte der
Marquis.
»Um diesen Preis will ich nicht gerettet
sein.«
»Sie vergessen, daß auch Raouls Zukunft
davon abhängt.«
»Nein,« rief Frau Fauvel, »und
tausendmal nein! Ich bin zum Äußersten entschlossen!
O, sehen Sie mich nicht so spöttisch an, ich schwöre
Ihnen, daß, wenn Sie von diesem letzten schändlichen
Plan nicht abstehen, ich meinem Manne alles gestehen werde. Er liebt
mich und wird mir verzeihen.«
»Glauben Sie?« fragte der Marquis
höhnisch.
»Und wenn er mir nicht vergeben kann, wenn er mich
von sich stößt, so habe ich es verdient. Nach den
schrecklichen Qualen, die ich durch Sie erdulde, gibt es nichts mehr,
was mich schrecken könnte!«
Der unerwartete Widerstand brachte den Marquis so auf,
daß er außerstande war, sich länger zu
beherrschen. Sein Ausdruck wurde drohend, seine Stimme grob.
»Wirklich,« sagte er höhnisch,
»Sie wollen Ihrem Mann ein Geständnis ablegen! Ein
rührender Gedanke, nur kommt er leider etwas zu spät.
Ihr Mann hätte Ihnen vielleicht einen Jugendfehler verzeihen
können, nachdem Sie sich zwanzig Jahre lang als Gattin
tadellos betragen haben. Aber jetzt, gnädige Frau –
was meinen Sie, wird der gute Mann sagen, wenn er erfährt,
daß der angebliche Neffe, der an seinem Tische ißt,
dem er Geld borgt, der uneheliche Sohn seiner tugendhaften Gemahlin
ist! Ich zweifle, daß er die Sache von der humoristischen
Seite auffaßt, und in der Tat gibt es wohl kaum ein
ähnliches Beispiel von unerhörter
Falschheit.«
»Sie haben kein Recht, mir Vorwürfe zu
machen,« rief Frau Fauvel entrüstet. »Aber,
was auch geschehen mag – ich sagte es Ihnen schon –
ich werde meine Pflicht tun.«
»Sie werden tun, was ich will,« rief der
Marquis, der jede Selbstbeherrschung verlor, »die Mitgift
Magdas ist uns unentbehrlich und übrigens – ich liebe Ihre
Nichte.«
Er bezwang sich und fuhr in ruhig-höflichem Tone
fort: »An Ihnen ist es, gnädige Frau, meine
Gründe zu erwägen. Glauben Sie nur, es ist das letzte
Opfer, das Sie bringen. Denken Sie an die Ehre Ihres Hauses, die Ihnen
doch wichtiger sein muß
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