Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
Vom Netzwerk:
gewechselt und
ein Verdacht stieg gleichzeitig in ihnen auf.
    Am bestürztesten aber war Raoul, er sah wie ein
ertappter Bösewicht aus und während der ganzen
Mahlzeit war er, sonst ein glänzender und unterhaltender
Gesellschafter, ganz still und saß wie betäubt da.
    Endlich war die Mahlzeit zu Ende und die Gäste
begaben sich in den Salon.
    Clameran war etwas zurückgeblieben, Raoul trat hastig
auf ihn zu und flüsterte: »Er ist es.«
    »Das glaube ich selbst.«
    »Dann sind wir verloren und müssen
schleunigst Reißaus nehmen.«
    Aber der Abenteurer Clameran war nicht der Mann, die Flinte
vorschnell ins Korn zu werfen.
    »Damit hat es noch gute Wege. Wenn wir nur vorerst
wüßten, wo der Unglücks-Clameran zu finden
ist ...?«
    »Ich glaube, Herr Fauvel hat sein Notizbuch auf dem
Tisch liegen lassen,« flüsterte Raoul.
    Mit fieberhafter Hast stürzte sich Louis darauf,
öffnete es dreist und blätterte.
    »Ah,« sagte er befriedigt, »da ist
seine Adresse: Marquis von Clameran Oloron, Basses
Pyrenées.«
    »Und was hast du damit gewonnen, daß du
seine Adresse weißt?« fragte Raoul.
    »Das kann unsere Rettung sein. Doch komm, damit
unsere Abwesenheit nicht auffällt, und mehr kaltes Blut, wenn
ich bitten darf, um ein Haar hättest du uns durch dein
Benehmen verraten.«
    »Ich fürchte, die beiden Frauenzimmer ahnen
etwas.«
    »Was liegt daran? Sie sind in unserer
Gewalt.«
    Die beiden Spießgesellen trennten sich, als sie aber
abends beide das gastliche Haus verließen, nahmen sie das
Gespräch wieder auf. Louis hatte seinen Plan schon fertig.
    »Alles hängt nur davon ab, ob Gaston
– daß er es wirklich ist, bezweifle ich nicht
– weiß, daß Valentine die Gattin Fauvels
ist. Wenn er es weiß, bleibt uns allerdings nichts
übrig, als mit Beschleunigung zu verschwinden, wenn er es aber
nicht weiß, ist nichts verloren.«
    »Wie willst du das aber herausbringen?«
    »Ich werde ihn einfach selber fragen.«
    »Die Idee ist großartig, scheint mir aber
gefährlich.«
    »Untätigkeit wäre noch viel
gefährlicher, daher ist es das beste, ich fahre hin.«
    »Wie, du wolltest ...?« fragte Raoul aufs
höchste erstaunt. »Und was geschieht inzwischen mit
mir?«
    »Du bleibst ruhig hier. Sollte sich die geringste
Gefahr ergeben, so telegraphiere ich dir sofort und du machst dich aus
dem Staube. Und nun lebewohl, morgen abend bin ich in Oloron und werde
wissen, woran wir sind.«

17. Kapitel
    Nur mit großer Gefahr und unsäglicher
Mühe war es Gaston von Clameran gelungen, sich zu retten, und
daß es gelang, verdankte er in erster Linie dem alten
Fährmann Menoul.
    Nachdem sie in Camargue gelandet waren, versteckte der treue
Schiffer seinen Schützling bei einer befreundeten Familie und
begab sich auf Kundschaft nach Marseille.
    Da Gaston Valentine den Schmuck seiner Mutter gelassen hatte,
bestand sein ganzes Vermögen aus 920 Frank, eine Summe, die
kaum für die Überfahrt hingereicht hätte. Um
also seinen Zehrpfennig zusammenzuhalten, wollte er sich auf dem
Schiffe nützlich machen, das heißt, die
Überfahrt durch seiner Hände Arbeit verdienen, und
ein Schiff, wo er in solcher Weise unterkommen konnte, sollte Menoul
auskundschaften.
    Das gelang dem alten Fährmann schon am ersten Abend;
in einer Matrosenkneipe erfuhr er, daß der Kapitän
eines amerikanischen Dreimasters, der vor Anker lag, ein
vorurteilsloser Mensch wäre, der mit Vergnügen
kräftige Burschen, die tüchtig zugreifen konnten, in
Dienst nähme, ohne sich um ihre Vorgeschichte zu
kümmern oder nach Papieren zu fragen.
    Menoul sprach mit dem Kapitän und kehrte dann zu
Gaston zurück.
    »Es wäre alles in Ordnung,« sagte
er, »aber ich fürchte, es wird Ihnen schwer ankommen.
Sie müßten Matrosendienste verrichten, und der
Kapitän scheint ein geriebener Schurke zu sein.«
    »Es bleibt mir keine andere Wahl,«
entgegnete Gaston.
    Er hatte sich kaum an Bord von »Tom Johns«
befunden, als er wahrnahm, daß Menoul in bezug auf den
Kapitän recht hatte, und kaum achtundvierzig Stunden dauerte
es, da wußte er, daß er mitten unter eine Schar
Verbrecher aller Art geraten war!
    Ihm war das gleichgültig, seine Gedanken weilten weit
fort, in der Heimat, bei seiner geliebten Valentine.
    Nur, daß er wenig Zeit hatte, sich seinen Gedanken,
seinem Schmerz zu überlassen. Er mußte die harte
Lehrzeit eines Matrosen durchmachen und bedurfte seiner ganzen
körperlichen Kraft und

Weitere Kostenlose Bücher