Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
waren ihre ursprünglichen Berichte von ihrer Redaktion nach kommerziell tauglichen Parametern zensiert worden, waren Zusammenhänge aus dem Kontext gerissen und der Öffentlichkeit schlagzeilenträchtig präsentiert worden?
Trotzdem machte Rabea das Gespräch Spaß. Lukas und sie knüpften damit an ihre früheren Diskussionen an. „Ich verstehe. Du findest, die Presse ist zu geschmeidig geworden. Massentaugliche Berichterstattung ist aber wichtig, um die Massen überhaupt zu erreichen. Ich denke, die Leser und Zuhörer sind mündig genug, um sich selbst eine Meinung bilden zu können. Vielleicht braucht es nur eine neue Definition von Pressefreiheit? Nicht nur wir sind frei, sondern besonders auch der Konsument, der sich selbst seine freie Meinung bilden kann. Das ist gelebte Demokratie.“
„Ich weiß selbst, dass Pressefreiheit eine der Säulen ist, die unsere Demokratie trägt. Aber sie hat keine Lizenz zur Verleumdung. Vor allem trägt sie damit auch eine große Verantwortung.“ Lukas stockte. Plötzlich fragte er sich, ob er diese Diskussion wirklich führen wollte.
„Nur zu“, forderte Rabea ihn auf.
„Ich finde, die Presse ist sehr kritisch, nur nicht gegenüber sich selbst. Du wetterst doch so gerne gegen die amerikanische Regierung, dabei hatte die sogenannte freie Presse einen großen Anteil an der zweiten Amtszeit des Bush-Präsidenten.“
„Nur weiter, ich höre dir zu.“
„Auf seinen Wink hin hat die Presse bereitwillig vor der Wahl eine Kampagne gestartet, die der amerikanischen Bevölkerung nochmals die akute Bedrohung durch den Terrorismus vor Augen führen sollte. Vorher war monatelang nichts davon zu lesen. Und warum? Weil die Regierung und die Presse ein Stillschweigeabkommen vereinbart hatten. Dann rückten die Wahlen näher und Bush brauchte die akute Bedrohung erneut. Sie, Presse und Regierung, haben den Leuten aus Kalkül und mit Vorsatz Angst gemacht, damit sie Bush wählen und nicht Kerry.“
Rabea setzte an, um aus alter Gewohnheit dagegen zu argumentieren, dabei wusste sie, dass Lukas Recht hatte. Es entsprach den Tatsachen. Fast das Gleiche hatte sie bei ihrem Live-Interview in Bagdad behauptet, nur viel drastischer formuliert. Und war prompt verhaftet worden. Sie lachte plötzlich hell auf.
Lukas hielt irritiert inne. „Warum lachst du?“
„Weil wir schon wieder diskutieren. Wie in alten Zeiten. Ist das nicht wunderbar?“
Ihr Lachen war ansteckend. Trotz der angespannten Situation stimmte Lukas mit ein. „Wir sind schon ein Paar, was?“, meinte er dann.
„Ja, aber ich glaube, wir haben endlich einen Punkt erreicht, um damit umzugehen.“
„Wie meinst du das?“
„Früher habe ich gedacht, dass ich nicht ohne dich leben kann, Lukas. Fern von dir habe ich eigentlich nur überlebt. Weil ich es musste. Heute weiß ich, dass ich ohne dich leben kann. Jetzt sieh mich nicht so an, als hätte ich Suaheli mit dir gesprochen, Lukas. Ich weiß genau, dass du mich verstanden hast. Lass uns die Dinge offen ansprechen. Wir kennen einander besser, als die meisten Menschen sich selbst kennen. Wir haben immer geglaubt, dass wir füreinander geschaffen sind. Sicher war das auch eine Weile so, aber nie zum selben Zeitpunkt, oder? Wir haben aneinander vorbeigeliebt, aus Stolz, aus Trotz und aus Dummheit.“
Lukas saß mit hochgezogenen Augenbrauen da, aber er sagte nichts.
Rabea lächelte. „Na ja, gut. Du vielleicht ein wenig dümmer als ich.“
Lukas knuffte sie dafür und ergänzte dann: „Und ich dafür ein wenig stolzer.“
Und dann lag Rabea erneut in seinen Armen. Sie küssten sich, fühlten und schmeckten sich ein letztes Mal. Beide wussten, dass dies ein Abschied war.
Kapitel 3 1
Barcelona, Spanien
Jules und Lukas landeten gegen 12:00 Uhr von London aus kommend in El Prat. Sie waren in aller Frühe, bei Nebel und Sprühregen, aufgebrochen. Barcelona empfing sie mit strahlend blauem Himmel und glühender Mittagshitze.
Fonton und zwei seiner Männer begleiteten sie. Lukas hatte noch spät in der Nacht mit seinem Vater telefoniert. Er wollte nichts mehr dem Zufall überlassen.
Heinrich von Stetten hatte seine Leute mit seiner Beechcraft nach London geschickt. Fonton hatte sie am Morgen in Biggin Hill erwartet, wo Jules und Lukas zugestiegen waren. Kaschinskis kleine Cessna ließen sie am dortigen Flughafen stehen. Dieses Mal hatten sie Carlotta van Kampen ihren Besuch offiziell angekündigt.
Lukas, Jules und Fonton hatten auf dem Flug nur wenige
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