Die Albertis: Roman (German Edition)
wird man reich!»
«Und reich sein wollen wir ja alle!», ergänzte Edward trocken, was das Gespräch auf ihn lenkte und seine Idee, nach Amerika zu gehen, was Anne nur für eine Phase hielt, die morgen schon beendet sein würde. Ehe das Thema grundsätzlich wurde und die Frage vertieft werden konnte, warum er ständig etwas anderes studieren wolle und letztlich nichts dafür tat, eine Entscheidung zu treffen, sprang Ebba für ihn in die Bresche und erzählte, wie lange es bei ihr gedauert habe, bis sie den richtigen beruflichen Weg einschlagen konnte. Edward war dankbar dafür, und für den Rest des Beisammenseins ließ er Ebba nicht mehr aus den Augen und lächelte sie unablässig an.
Nachdem das Essen beendet war, Ebba ihre Geschenke überreicht hatte und alle sie ausgepackt hatten, wurde abgeräumt. Dann sah Ebba auf die Uhr und erklärte, sie müsse los. Kurz wurde, nachdem die Kinder wieder in ihren Zimmern verschwunden waren und Edward mit seinem Panda zu einer Verabredung mit Colleen abgebraust war, noch der Deal mit Ebbas Golf abgeschlossen, dann machte sich Annes Freundin auf den Heimweg, weil sie am nächsten Morgen, so erklärte sie, früh rausmüsse.
Anne brachte sie nach draußen. «Ist irgendwas?»
«Nö.»
«Ebbalein.»
«Ach», sie winkte ab. «Ich habe irgendwie meinen Moralischen. Ich hoffe, ich habe dir nicht den Abend versaut.»
«So ein Blödsinn. Warum sagst du nicht, was dich bedrückt?»
«Es ist eine ganz banale Geschichte. Ich werde gemobbt. Jemand ... ein Mann ... ein jüngerer natürlich, sägt an meinem Stuhl. Sie machen mir den Vorwurf, ich würde meine Kunden nicht gut genug beraten. Es gab ein paar Beschwerden, ja, ein paar sind abgesprungen, das ist ganz normal in heutigen Zeiten, Kunden, die zu den Online-Banken wechseln, weil es billiger ist, spannender vielleicht, da ist ein neuer gewaltiger Markt entstanden, und Banken wie wir haben es schwer. Wir gehören sozusagen zum alten Eisen. Aber nun wollen sie mir einen Strick daraus drehen. Es sieht so aus, als wollten die mich rauskegeln!»
«Ach du Schande.»
«Aber ich krieg es hin. Ich habe schon so viel gewuppt. Das schaffe ich auch.» Ebba wirkte auf einmal in ihrem roten Kleid ganz zart und zerbrechlich wie eine Puppe, und Anne schien es, als hätte sie mit ihrer Freundin den Platz gewechselt und nun sei sie die Starke und Ebba die Schwache, die man in den Arm nehmen und trösten müsse. Und tatsächlich war es auch so. Den ganzen Abend über hatte Ebba diesen Schmerz gespürt, tief drinnen in ihrem Herzen, und sich als Beobachterin gefühlt, die weit entfernt von allen anderen zusah, bei diesem wunderbaren Schauspiel, wie eine neue Familie, mit allen Schmerzen und Kämpfen, vor allem aber mit aller Freude, Liebe und Energie zusammenwuchs. Sie gönnte Anne dieses Glück. Und deshalb konnte sie darüber nicht reden, über diese Einsamkeit, die sie empfand angesichts des Familienlebens. Sie war eine Singlefrau, ganz schick, ganz modern, ganz unabhängig. Sie war einsam. Niemals zuvor war ihr das so bewusst gewesen. Doch darüber sagte sie kein einziges Wort. Sie öffnete ihren Porsche und stieg ein.
«Schick Edward, um den Golf abzuholen!», erklärte sie. «Am besten nächste Woche, okay?»
Anne nickte. Ebba zog die Tür von innen zu, startete, schaltete die Scheinwerfer ein, die hell und grell die maigrüne, nächtliche Straße erleuchteten. Dann raste sie davon. Anne winkte noch einmal, bevor sie ins Haus zurückging.
Drinnen gab sie sich einen Ruck und betrat die Küche, in der Frau Merk damit beschäftigt war, den Geschirrspüler auszuräumen. Sie wollte ihr dabei helfen und nahm ein Saftglas heraus, um den nach innen gewölbten Boden mit einem Geschirrtuch trocken zu reiben.
«Mir ist es lieber, wenn ich das alleine mache, Frau Alberti!» Langsam, aber bestimmt zog sie Anne das Tuch zwischen den Fingern weg und wischte trickreich und systematisch alle hintereinander in der Maschine stehenden Gläser aus. So macht man das! , schien sie sagen zu wollen, als sie Anne von der Seite ansah.
«Ich muss mich für meine Freundin bei Ihnen entschuldigen, Frau Merk. Es tut mir Leid, was sie gesagt hat!»
«Es ist wirklich unverschämt, wie ich mich hier behandeln lassen muss!»
Besser wäre es gewesen, wenn Anne jetzt geschwiegen hätte. Wenn sie Frau Merks Verärgerung einfach akzeptiert und den Satz hätte so stehen lassen und gegangen wäre. Aber das konnte sie nicht. Das hatte sie noch nie gekonnt: im richtigen
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