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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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göttliche Licht mit der irdischen Materie zu vereinen, und erschafft eine Arznei von unermesslicher Kraft.«
    »Das Lebenselixier!« Meschkats Augen leuchteten.
    Steinhäuser nickte.
    »Geben Sie mir die Rezeptur«, sagte Meschkat. »Sofort! Und ich erlasse Ihnen all Ihre Schulden.«
    Friedrich Steinhäuser merkte, wie er an Boden gewann. Langsam schüttelte er den Kopf. »Nicht das Rezept ist es, was ich Ihnen anbiete, denn zur Herstellung bedarf es ausgesuchter alchemistischer Kenntnisse. Die Arznei ist es, die ich Ihnen gebe. So viele Flaschen, bis meine Schulden getilgt sind.«
    »Ich will die Rezeptur.«
    »Die Rezeptur ist weit mehr wert, und das wissen Sie. Der Thronfolger ist ein großer Freund des Okkulten und Anhänger der freimaurerischen Lehren, er würde mir für die Weitergabe dieser Information ein Vermögen zahlen.«
    Meschkat sah ihn durchdringend an. »Erlauben Sie mir die Frage, warum Sie es nicht längst in Erwägung gezogen haben, sich an ihn zu wenden?«
    »Ein solches Rezept ist zu kostbar, um es einem Taugenichts zu geben, der sich die Zeit mit spiritistischen Sitzungen vertreibt. Nein, ich werde es nicht aus den Händen geben.« Steinhäuser stand auf. »Mein Angebot gilt. Ich versorge Sie so lange mit der wundersamen Arznei, bis die Schulden abgetragen sind.«
    »Verraten Sie mir vorher, woher diese Rezeptur stammt und warum ausgerechnet Sie sich im Besitz dieses kostbaren Dokuments wähnen?«
    »Nein.« Steinhäuser streckte die Hand aus. »Schlagen Sie ein?«
    »Unter einer Bedingung: Nur ich darf die Arznei vertreiben. |75| Wenn auch nur ein Fläschchen über Ihren Ladentisch geht, sind Sie verloren!«
     
    Meschkat wartete, bis die Tür hinter dem Apotheker ins Schloss gefallen war. Dann stieß er einen verhaltenen Schrei aus, halb lachend, halb weinend.
    Das Lebenselixier. Wenn das, was Steinhäuser behauptete, der Wahrheit entsprach, dann wäre damit eines der größten Rätsel der Menschheit gelöst. Diese Rezeptur bedeutete die Überwindung der Trennung von unterer Welt und Paradies, die Umkehr der Vergänglichkeit in die goldene Zeit ewiger Jugend!
    Meschkat ging zur Standuhr und betrachtete sich im spiegelnden Glas. Er sah übel aus, fett und schwammig. Seine Jugend war dahin. Sein Haar hatte sich gelichtet, ohne Perücke war er beinahe kahl. Im Gegenzug schien sich nun seine Körperbehaarung auszubreiten, an Rücken, Brust, Armen und Hals.
    Helene Steinhäuser hatte ihn stets höflich behandelt, doch die Abscheu stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie hatte ihn groß und glotzend angesehen, als er von Heirat gesprochen hatte. War aufgesprungen, als er ihr näher kam. Nun hatte sie ihm den Rücken gekehrt, war aus der Stadt geflohen. Welch unerträgliche Schmach! Meschkat stöhnte auf. Nicht einen Moment zweifelte er daran, dass es seinetwegen war. Sie war geflohen, um ihn nicht heiraten, nicht anrühren zu müssen.
    Damit war alles umsonst gewesen. Der Bärenfang, dessen hochprozentige Mischung aus Wodka und Blütenhonig ihrem Vater die Sinne vernebelt hatte, das Kartenspiel, dessen Trümpfe er wohldosiert verteilt hatte. Immer gerade so viel, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Alles, um Helene zu gewinnen. Sie, die ihn niemals erwählt hätte. Wie dankbar der Apotheker gewesen war, als er ihm anbot, die Schulden zu streichen, wenn er ihm die Tochter gab.
    Er seufzte schwer, nahm das letzte Stück Marzipankonfekt und ließ sich in seinen Armstuhl sinken. Der Gedanke an Helene erregte ihn. Er kannte sie, seitdem sie ein kleines Kind war. Und dann, plötzlich, hatte eine junge Frau vor ihm gestanden, die ihrem |76| Vater in der Apotheke zur Hand ging und seine Arzneien auslieferte. Er hatte mehr bestellt, als er für seine Patienten brauchte. Aber der Anblick des jungen Gesichts, die vollen Lippen, die feinen, knospenden Brüste … Meschkat bemerkte, wie es sich zwischen seinen Schenkeln regte. Diese Brüste …
    Er atmete schnaufend. Sie würde dafür büßen! Selbst wenn sie glaubte, sie könne sich ihm entziehen, ihr Vater konnte es nicht!
    Ein drängendes Gefühl breitete sich in ihm aus, ließ seine Säfte pulsieren. Eine Weile rieb er sich an der Armlehne, dann rief er nach dem Dienstmädchen.
     
    Friedrich Steinhäuser trat ins Freie. Er war froh, die düstere Bibliothek verlassen zu haben. Nicht nur wegen des unseligen Gesprächsverlaufs, nein, es dürstete ihn nach frischer Luft. Für einen Moment empfand er so etwas wie Verständnis für die Abscheu seiner Tochter. Nur

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