Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche
er.
Sein Name interessierte sie nicht wirklich. Sie war überzeugt, dass jeder, den er ihr nennen würde, genauso falsch wäre wie Chevalier Weldon. »Wissen Sie, wo mein Sohn ist?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn ich es wüsste, würde ich Sie umgehend befreien und mit Ihnen dorthin reiten.«
»Sparen Sie sich Ihre guten Manieren. Ich bin schon in den Genuss gekommen.«
Mit einem leisen Lachen ergriff er ihre Hand mit der Eisenschelle. Erst versteifte sie sich, aber dann ließ sie zu, dass er den Metallreif gründlich untersuchte.
»Mindestens fünfzig, sechzig Jahre alt. Gut erhalten, kaum Spuren von Rost. Aus dem Kastell Ihres Vaters, vermute ich.«
»Warum folgen Sie mir? Und weshalb wissen Sie so viel über meine Familie?«
»Ich wusste immer, woran Ihr Vater arbeitet. Ich habe es nicht gebilligt, ganz gewiss nicht, aber ich hätte ihn auch nicht daran hindern können.«
Sie betrachtete ihn misstrauisch. »Sie haben meinen Vater gekannt?«
»Nicht gut. Aber ich habe ihn gekannt. In manchen Kreisen ist er immer wieder einmal zu einer gewissen Popularität gekommen, im Guten wie im Schlechten. Es gab welche, die ihn beneideten und ihm seine Erfolge – wenn wir es denn so nennen wollen – missgönnten. Und es gab andere, die ihn für eine Art Halbgott hielten. Aber, um ehrlich zu sein, wir Unsterblichen laufen uns nicht oft genug über den Weg, um einander völlig zu durchschauen. Wahrscheinlich ist das ganz gut so.«
»Wir Unsterblichen?«
Er lachte. »Was dachten Sie? Der Name Chevalier Weldon war doch ein deutlicher Hinweis, finden Sie nicht? Aber ich sollte mir vielleicht abgewöhnen, die alten Namen zu benutzen, seit diese dumme Liste mit meinen Pseudonymen bekannt geworden ist.«
Das Eisen an ihrem Handgelenk fühlte sich mit einemmal sehr kalt an. »Sie wollen mir erzählen, Sie seien der Graf von Saint-Germain?«
»Auch nur ein falscher Name, aber das wissen Sie vermutlich. Mein wahrer Name ist Konstantin Leopold Ragoczy, Sohn des Prinzen Franz Leopold Ragoczy von Siebenbürgen. Aber dort bin ich nicht aufgewachsen. Ich war noch ein kleines Kind, als ich in die Ob-hut eines Freundes meines Vaters gegeben wurde, dem Grafen Gian Gastone de Medici. Ich fürchte, meine Mutter, eine geborene Tékéli, hatte wenig Freude an mir und wollte mich auf dem schnellsten Wege loswerden.« Er verzog das Gesicht zu einem Lächeln, das nicht ganz ehrlich wirkte.
»Manchmal tun Mütter so etwas.«
Seine Worte erinnerten sie an Gians Vorwürfe – und an ihre eigenen, vor siebzehn Jahren –, und sie fragte sich, ob das in seiner Absicht lag. Falls ja, wusste er weit mehr über sie, als sie für möglich gehalten hatte.
»Saint-Germain war ein Scharlatan«, sagte sie. »Genau wie Cagliostro und all die anderen angeblichen Goldmacher und Magier des achtzehnten Jahrhunderts. Sie denken vielleicht, weil ich angekettet bin, können Sie hier auftauchen und mir einen Haufen Schwachsinn auftischen und sich…«
Mit einer beschwichtigenden Handbewegung brachte er sie zum Schweigen. »Bitte, Aura… Wenn Sie sich weiter derart in Rage re-den, wird unser Freund Fuente bald wissen, was los ist.«
Sie funkelte ihn an. »Was ist denn Ihrer Meinung nach los?« Der Chevalier, Konstantin, seufzte leise. »Als wären Sie darauf noch nicht selbst gekommen. Fuente wird uns zu Ihrem Sohn führen. Aber nur so lange er sich sicher fühlt. Wenn er mitbekommt, dass ich Ihnen folge, wird ihn das nicht besonders glücklich machen.« Ehe sie sich wehren konnte, legte er seinen Zeigefinger sanft auf ihre Lippen. »Warten Sie noch, bevor Sie mich weiter ankeifen wie eine Furie. Es spielt im Augenblick keine Rolle, ob Sie mir glauben oder nicht. Es ist auch gar nicht wichtig, wer ich bin und ob Ihnen mein Name gefällt oder nicht. Betrachten Sie mich einfach als Ihren Freund. Ich gebe Acht, dass Ihnen nichts zustößt… Und, bitte, sagen Sie jetzt um Got-tes willen nicht, Sie können auf sich selbst aufpassen. In Ihrer Situation wäre das nicht besonders überzeugend.«
Sie überlegte einen Moment, dann nickte sie widerwillig. »Sie wollen, dass ich weiter seine Gefangene spiele. Einverstanden. Aber Sie sind mir eine Menge Erklärungen schuldig, das ist Ihnen klar, oder?«
»Ich verspreche Ihnen, Sie bekommen Ihre Erklärungen. Aber nicht jetzt. Fuente kann jeden Moment zurückkommen.«
»Was ist, wenn er die Pistole gefunden hat?«
Konstantin grinste breit und hob den Saum seines Hemdes. Die Waffe steckte in
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