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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Sie hustete und ächzte, als ein Fausthieb sie am Unterkiefer traf, weniger schmerzhaft als überraschend, und dann fiel sie zur Seite, geistesgegenwärtig genug, aus eigener Kraft weiter zu rollen, fort von Fuente und der Klinge, die eine Handbreit neben ihrer Taille ins Erdreich schnitt.
    Konstantin stürzte sich auf Fuente, bevor der das Messer zurückreißen konnte. Beide hieben jetzt mit bloßen Fäusten aufeinander ein.
    Auras Blick raste über das Gras, aber der Revolver war nirgends zu sehen. Sie wollte das Messer packen, aber etwas hielt sie davon ab. Mit derselben Klinge waren Myléne und Raffael enthauptet worden. Sie brachte es nicht über sich, danach zu greifen und damit auf Fuente einzustechen.
    Sie konnte es nicht. Es ging einfach nicht.
    Sie schaute sich um.
    Hundert Meter bis zu den Pferden.
    Sie gab dem Messer einen Tritt, der es meterweit davon trudeln ließ. Dann rannte sie los. Setzte über Mauerreste und Steinhaufen, wich Dornenbüschen aus und sprang über Risse in den zerstörten Böden des Klosters.
    Hundert Meter. So schnell sie nur konnte. Sie erreichte ihr Pferd, als Konstantin hinter ihr einen Schrei ausstieß, gefolgt von Fuentes irrsinnigem Brüllen. Nicht umschauen. Noch nicht.
    Mit bebenden Händen riss sie die Satteltasche auf, wühlte zwischen Kleidung und Vorräten und bekam endlich die Pistole zu fas-sen.
    Zurück. Hundert Meter. Über Mauern, Sträucher, Spalten im Stein.
    Hundert Meter. Nur ein paar Sekunden.
    Fuente hockte über Konstantin und drückte ihm die Kehle zu. Aura sah zwei verzerrte Gesichter. Enge, verkniffene Augen. Blutleere Lip-pen.
    »Fuente!«
    Er hörte nicht. Blickte nicht auf. Drückte weiter zu.
    »Eduardo!«
    Sein Kopf ruckte herum, ohne dass seine Hände von seinem Opfer abließen.
    »Wissen Sie… wer das hier… ist?«, keuchte er.
    Sie legte mit der Pistole an und zielte auf Fuentes Kopf. Sie stand nur drei Meter von ihm entfernt, und sie würde treffen, beide wussten das.
    »Lassen Sie ihn los!«
    Ein gurgelnder Laut drang über Konstantins Lippen.
    »Verdammt, Fuente – loslassen!«
    Er lächelte sie an. »Nestor war ein guter Lehrer. Als er fortging, war ich wie tot… Vielleicht ist es… richtig, dass Sie es sind, die…«
    Konstantins Hände fuhren nach oben, ein letztes Aufbäumen, und sie bekamen Fuentes Schädel zu fassen. Seine Daumen bohrten sich in die Augenhöhlen. Fuente schrie auf und ließ Konstantins Hals los. Die Männer kippten zur Seite, das hohe Gras verschlang beide.
    Aura lief hinterher, richtete die Pistole erneut auf Fuente, der schon wieder die Oberhand gewann. Sie stand jetzt direkt hinter ihm.
    »Wollen Sie das wirklich tun?«, krächzte er. Es war, als hätten sein Blick und der Konstantins sich ineinander verbissen wie zwei Kampfhunde in einer Arena.
    Es gelang ihr nicht, eine Antwort zu geben. Ihr war schlecht und schwindelig. Alles begann sich zu drehen, eine schwerfällige Kreisbewegung des Universums um sie und die beiden Männer am Boden.
    »Denken Sie an Gian«, flüsterte Fuente. Konstantin keuchte. »Ich weiß… wo…« Fuente schlug ihm ins Gesicht. Alles dreht sich. Alles schwimmt. Gian. Tess. Die Schwarze Isis.
    Fuente blickte über die Schulter und lächelte Nestors Lächeln.
    Aura drückte ab.
    Sie ließen den Toten im hohen Gras liegen, unter einem Leichentuch aus rubinrotem Dämmerlicht.
    Auf dem Weg zu den Pferden stützten sie sich gegenseitig. Als sie dort ankamen, gelang es Aura, ihre Übelkeit herunterzuwürgen wie einen schlechten Geschmack. Sie richtete sich auf und sah Konstantin an, gebeugt und erschöpft wie er dastand.
    »Was hat er gemeint?«, fragte sie. »Hm?«
    »Er hat mich gefragt, ob ich weiß, wer du bist. Was hat er damit gemeint?«
    »Saint-Germain«, sagte er müde. »Er hat es gewusst.«
    »Woher?«
    »Weiß ich nicht.«
    Sie musterte ihn durchdringend. »Du verheimlichst mir etwas.«
    »Ich wusste nicht, dass wir verheiratet sind«, erwiderte er verbis-sen.
    »Verdammt, Konstantin…«
    Er zögerte, schwieg. Dann hob er beide Hände und gab sich geschlagen. »Ich war schon früher im Kastell. Vor vielen Jahren. Ich hab dir gesagt, dass ich wusste, was Nestor dort getrieben hat.«
    »Du hast gesagt, du hättest davon gehört, nicht dabei zugeschaut!«
    Er senkte den Kopf und hielt sich am Sattelknauf von Fuentes Pferd fest. »Wir sind unsterblich, Aura. Und wir sind alle schuldig. Sonst hätte Gott uns nicht so bestraft.«
    »Aber…«
    »Nein, Aura. Die Unsterblichkeit ist kein

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