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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Atemzüge. Dann rollte sie sich herum und kroch ein paar Meter zurück, wo sie sich langsam auf die Knie erhob.
    Aus den Fenstern des Ziegelhauses schlugen Flammen. Zahllose Zelte brannten lichterloh. Überall liefen aufgescheuchte Arbeiter um-her, die meisten nur notdürftig bekleidet, einige nackt. Zwischen ihnen sah Tess dunkle Gestalten, ähnlich jenen beim Fahrzeug. Schwarze, eng anliegende Kleidung. Schwarze Masken, die nur ihre Augen frei ließen.
    Feuerschein spiegelte sich auf Säbeln und Messern.
    Professor Goldstein stand im Schlafanzug vor dem brennenden Haus und feuerte mit einem Jagdgewehr auf die Angreifer. Doch für jeden, der fiel, lösten sich zwei weitere aus der Nacht und näherten sich ihm mit flinken, durchtrainierten Bewegungen.
    Tess’ Herz schlug zu schnell, sie spürte es flattern wie einen gefangenen Vogel.
    Jetzt sah sie auch die Frau des Professors. Frau Goldstein, die sonst immer die Dame herauskehrte und niemals die Kontrolle verlor, irrte wie blind umher und näherte sich den Schuppen am Fuß der Düne. Ihr Haar war auf einer Seite versengt, eine schwarze Stoppelwüste, die bis in ihren Nacken reichte. Aus einem ihrer Augen lief Blut. In ihrem weißen Nachthemd war es nur eine Frage der Zeit, ehe einer der Maskierten sie entdeckte.
    Tess rannte den Hang hinunter. Sie konnte weder Gian noch dem Professor helfen. Aber Frau Goldstein war weit genug vom Zentrum der Kämpfe entfernt, um rechtzeitig ein Versteck zu finden. In einem ziellosen Taumel näherte sich die Frau den Verschlagen. Niemand war hinter ihr.
    Tess erreichte den unteren Teil der Düne, und jetzt schob sich das finstere Massiv der Schuppen zwischen sie und die Frau. Für einen Moment verlor Tess sie aus den Augen, aber das ließ sie nur noch schneller laufen, noch verzweifelter.
    Pfeilschnell stieß sie durch die Schatten der Holzverschläge. Allein ihr Instinkt steuerte sie und sagte ihr, dass sie gebraucht wurde, nur wenige Schritte entfernt, jenseits der Hütten, wo die Brände den Himmel golden färbten wie ein nächtlicher Sonnenaufgang.
    Als sie um den letzten Schuppen bog, erfasste sie das ganze Ausmaß der Katastrophe. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass einer der Angreifer einen Stab aufrichtete und etwas daran empor zog. Im ersten Moment glaubte sie, es sei ein zappelnder Mensch; dann aber erkannte sie die Flagge. Die Farben des Britischen Empire.
    Engländer, die in schwarzen Masken ein deutsches Archäologencamp niederbrannten? Wohl eher ein Täuschungsmanöver für jene, die die Leichen finden würden.
    Stocksteif blieb sie stehen. Ihr war, als wären ihre Beine bis zu den Knien im Sand eingesunken.
    Nur ein kleines Stück von ihr entfernt lag die Frau des Professors im Sand, streckte verzweifelt eine Hand nach ihr aus und starrte sie durch einen Blutschleier an, der ihr ganzes Gesicht bedeckte. Ihre Finger zuckten, der Arm sank herab. Ihr Röcheln war sogar durch das Prasseln und die Geräusche des Massakers zu hören. Dann brach es ab. Verschwommen wie in einem Traum wurde Tess bewusst, dass auch die Schüsse des Professors längst verstummt waren.
    Im Rücken der Frau klaffte eine Wunde. Eine der schwarzen Gestalten stand breitbeinig über ihr und wischte seinen Säbel an ihrem Nachthemd sauber.
    Er blickte auf und sah Tess.
    Die Trägheit in ihren Beinen löste sich schlagartig. Mit einem zornigen Aufschrei wirbelte sie herum und lief zurück zwischen die Schuppen.
    Erst als die Schatten um sie herum zu Körpern gerannen, zu Ar-men, Beinen und Augen, kam ihr die Erkenntnis, dass es vorbei war.
    Hinter ihr wehte die Flagge in der Nacht. Vor ihr blitzte Stahl.
    Ein Hieb traf sie ins Kreuz und schleuderte sie flach in den Sand.

KAPITEL 3
    Im Nachhinein fiel es Aura schwer, sich an den Rest des Tages zu erinnern. Irgendwann war sie ins Hotel zurückgekehrt, mit Fingern, die nach Buchbinderleim rochen, Augen, vor denen gotische Lettern tanzten, und Schultern, die von der gebeugten Haltung in den Lesesälen schmerzten. Sie hatte die Räume der Suite durchsucht und sich dreimal vergewissert, dass die Tür von innen verschlossen war; zuletzt hatte sie eine Kommode davorgeschoben. Auch die Fenster waren geschlossen. Ein Eindringling hätte an der glatten Fassade heraufklettern müssen, um sie überhaupt zu erreichen.
    Auras Bett war frisch bezogen, das beschmutzte Laken fort. Sie fragte sich, was das Zimmermädchen gedacht haben mochte, als es den blutigen Handabdruck entdeckt hatte. Vermutlich konnte sie froh sein,

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