Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche
Karisma packte ihn am Arm. Sie hielt ihm eine Flasche mit frischem Wasser entgegen. »Hier, trink. Es hilft niemandem, wenn du halb verdurstet zu ihm gehst.«
Ihre Augen flirrten, als sei die Lichtreflexion von der Oberfläche der Quelle auf sie übergesprungen; als hätte sie die Schönheit dieses Lichts die ganze Zeit über für Gillian aufbewahrt.
Er schenkte ihr ein dankbares Lächeln und leerte die Flasche bis zur Hälfte. Den Rest trank er, während sie über schmale Stufen nach oben eilten. Er spürte eine hohe Konzentration von Alter, als sie sich ihrem Ziel näherten. Sein Magen rebellierte. Auch das hatte er Aura und ihrem verdammten Kraut zu verdanken.
Lascaris Kammer war nicht größer als die Räume der anderen acht Templer, die im Kloster Zuflucht gefunden hatten. Für Gillian hatte es zuletzt kaum noch einen Unterschied gemacht, ob er in seinem eigenen Zimmer oder in dem des Großmeisters erwachte. Er hatte in den vergangenen Monaten ein trauriges Geschick darin entwickelt, im Sitzen zu schlafen, nur eine Armlänge vom Lager des Sterbenden entfernt.
Bruder Giacomo, Gillians engster Vertrauter, blickte auf, als er zur Tür hereinkam. Der Templer stand gemeinsam mit zwei weiteren Mitgliedern des Templum Novum, Bruder Jonas und Bruder Giorgios, um das Bett des Großmeisters. Bei ihnen war auch Vater Ephgenios, der Vorsteher des Klosters, ein gebürtiger Grieche wie die meisten Mönche des Katharinenordens. Die übrigen Templer drängten sich draußen auf dem Gang.
Gillian war schlecht, aber er versuchte, es nicht zu zeigen. Er hasste sich selbst für das, was aus ihm geworden war. Die Monate an Lascaris Bett waren auch der Versuch gewesen, den Abscheu vor dem Alter, der mit der Unsterblichkeit einherging, abzuschütteln, sich ihm zu stellen, ihn zu exorzieren. Das Ergebnis war Gewöhnung – an die Übelkeit, die Magenkrämpfe, den Brechreiz –, aber keine Besserung.
»Gillian!« Lascaris Lippen standen einen Spalt weit offen, aber man hätte ihm nicht ansehen können, dass er sprach. Keine Regung in seinem hageren Gesicht. Sein silbergraues Haar war zu einem Großteil abrasiert, am sorgfältigsten rund um die faustgroße Beule, die sich eine Handbreit über dem linken Ohr aus seinem Schädel wölbte. Es grenzte an ein Wunder, dass er überhaupt noch sprechen konnte. Die meiste Zeit schrie er vor Schmerz.
»Gillian. Komm zu mir.« So klar hatte er seine Worte seit Tagen nicht mehr formuliert.
Giacomo und die anderen traten beiseite. Niemand fand es respektlos, dass Gillian sich auf der Bettkante niederließ und Lascaris Hand ergriff. Alle wussten, mit wie viel Liebe der Hermaphrodit den Großmeister in den letzten Monaten umsorgt hatte. Lascaris knochige Finger schlossen sich wie Hühnerkrallen um Gillians Hand.
Die Augen des alten Mannes bewegten sich in den starren Zügen wie etwas, das nicht hierher gehörte. Sein Gesicht war bereits gestorben. »Froh, dass du hier bist.« Silben wie leises Stöhnen.
»Ich habe dir gesagt, dass ich immer für dich da sein werde«, sag-te Gillian stockend. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er ein paar Stunden fort gewesen war. Gerade heute, gerade jetzt.
»Du wirst der neue Großmeister des Templum Novum«, sagte Lascari unverblümt. Er wusste genau, ihm blieb keine Zeit mehr für große Worte.
Gillian blickte auf, sah Giacomo an, dann Jonas und Giorgios. Giacomo nickte langsam.
»Sie wissen es schon.« Lascari machte nach jedem Wort eine lange Pause. Bei jedem fürchtete Gillian, es wäre das letzte.
Er hatte so viele Einwände, so viele Vorbehalte. Aber der wichtigste von allen war, dass er kein Großmeister sein wollte. Er war kein guter Christ. Er verbrachte nicht halb so viel Zeit wie die anderen im Gebet; die Beichte fiel ihm schwer; das Zölibat hätte er für eine Farce gehalten, hätte er nicht nach seiner Zeit mit Aura jedes Interesse an Frauen verloren – zumindest bis Karisma aufgetaucht war. Karisma, die erste Frau im Templum Novum seit wer weiß wie vielen Jahren.
Dabei hatten selbst die Templer des Mittelalters Schwestern in ihre Reihen aufgenommen. Trotzdem war es für Lascari ein unerhörter Schritt gewesen, als er Karisma zu einer der ihren gemacht hatte, nur kurze Zeit nachdem sie zum ersten Mal vor dem Tor des Palazzo aufgetaucht war. Wie du, hatte er zu Gillian gesagt. Sie ist wie du.
»Ich kann kein Großmeister sein«, sagte Gillian, aber er fand selbst, dass es wie eine schlechte Ausrede klang. »Ich bin anders als
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