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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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getäuscht, und es waren doch noch andere Kunden in der Buchhandlung.
    Ein Fauchen! Sie war jetzt ganz sicher. Jenseits der Bücher atmete jemand.
    Mit raschen Schritten erreichte sie das Ende des Regals. Huschte um die Ecke. Blickte dahinter.
    Der schmale Gang war leer.
    Sie zögerte kurz, dann ging sie zum nächsten Regal. Und zum übernächsten.
    Kein Mensch zu sehen.
    Aus dem Untergeschoss drangen vage die Stimmen der Dujols herauf. Sie klangen wie zischelndes Flüstern, ganz nah an ihrem Ohr, obwohl sich die beiden nicht einmal im selben Raum aufhielten. Nur eine akustische Täuschung.
    Verunsichert ging sie zurück zu der Stelle, wo sie die Geräusche zuletzt gehört hatte. Auf dem Boden lag ein Buch. Hatte sie es fallen-lassen? Sie hob es auf und las den Titel. Sie konnte sich nicht erinnern, es aus dem Regal gezogen zu haben.
    Kopfschüttelnd schob sie es zurück in eine Lücke, die einzige weit und breit. Dabei fiel ihr Blick auf den Band links davon.
    Die sechs Finger des Magus. Von G. Grimaud.
    Also hatte sie sich nicht getäuscht! Es gab tatsächlich Literatur zu diesem Thema!
    Aufgeregt zog sie das Buch heraus und betrachtete den Einband. Der schmucklose Schutzumschlag nannte nur Titel und Verfasser. Das Impressum auf der letzten Seite verriet ihr, dass der Band 1911 verlegt worden war, vor drei Jahren. Er war nicht illustriert, der Schriftsatz eng und unübersichtlich. Nicht gerade ein Buch, das einen Bibliophilen entzücken würde.
    Aura überflog noch einmal die Buchrücken der näheren Umgebung. Andere Titel waren oft zwei- oder dreimal vorhanden. Nicht so Die sechs Finger des Magus. Nur ein einziges Exemplar. Als wäre es für Aura gedruckt und hier deponiert worden.
    Mit dem Buch in der Hand trat sie aus dem Schatten der Regalwände. Noch einmal schaute sie sich um, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. Hier war niemand. Genauso wie vorhin in der Dunkelheit unter dem Torbogen. Nichts als ihre überreizte Fantasie. Nur Hirngespinste.
    Dujols nahm das Buch und blickte lange auf den Titel, so als müsste er ihn erst aus einer archaischen Sprache ins Französische übersetzen. Dann hob er es hoch und winkte seiner Frau damit. Aura folgte seinem Blick und fürchtete schon, einer von beiden würde ihr nun erklären, der Band sei nur durch ein Versehen in das Regal gelangt. Leider unverkäuflich. Tut uns Leid, Mademoiselle. Beehren Sie uns bald wieder.
    Dann aber räusperte sich der Buchhändler, lächelte höflich und nannte einen Preis.
    »Ist es ein seltener Titel?«, fragte Aura. »Ist er Ihnen zu teuer?«
    »Um Gottes willen, nein.« Sie zog rasch ihre Börse hervor und zählte das Geld ab. »Aber es ist noch nicht alt, und Sie haben nur ein einziges Exemplar vorrätig.«
    »Grimaud druckt nie mehr als ein paar Dutzend seiner Elaborate.«
    »Er verlegt sie selbst?«
    Dujols rieb sich mit seiner Linken den Nasenrücken. »Nun ja, um ehrlich zu sein, seine Titel sind nicht besonders gefragt. Wissen Sie, die jungen Leute wollen Handfesteres lesen, Rezepturen und so weiter. Sie haben doch vorhin die beiden gehört, nicht wahr? So wie sie ist die ganze junge Generation von Alchimisten, die sich hier in Paris breit macht.«
    »Pierre!« Die Stimme seiner Frau klang ungehalten. »Du beleidigst die junge Dame.«
    Aura schüttelte den Kopf. »Nein, tun Sie nicht.«
    »Ich weiß«, sagte er und ließ sie nicht aus den Augen. »Man bekommt ein Gefühl für so was, wenn man sieht, wer am Tag hier ein und aus geht. Sie sind noch jung, Mademoiselle, aber Sie befassen sich nicht erst seit gestern mit den Dingen, nicht wahr?« Er hob abwehrend die Hände, als erwartete er statt einer Antwort irgendwelche Handgreiflichkeiten. Dann aber lachte er.
    »Sagen Sie nichts! Sie sind eine kluge junge Dame, und Sie haben vermutlich keine Zeit, sich mein Geschwätz anzuhören.«
    Sie lächelte und reichte ihm das Geld. Er legte es sorgfaltig, aber ungezählt in eine Schublade.
    »Viel Freude mit Ihrem Buch«, sagte er, drehte ihr dann den Rücken zu und schien von einem Augenblick zum nächsten vergessen zu haben, dass sie existierte.
    Seine Frau nickte Aura mit einem Grinsen zu; es offenbarte eine klaffende Lücke zwischen ihren Schneidezähnen. Dann wandte auch sie sich wieder einem Bücherstapel zu.
    »Auf Wiedersehen.«
    Aura trat hinaus auf die Rue de Rennes. Das Klingeln der Glöckchen wurde scharf abgeschnitten, als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Sie bemerkte, dass die Fenster in den umliegenden

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