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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Stimme.
    Bitte…
    Als sie sich nicht regte, streckte sich ihr eine Hand entgegen, löste den Koffer aus ihren kalten Fingern und zog sie ins Innere.

KAPITEL 12
    Damals, im Jahr 1229, waren die Templer auf die Insel gekommen, um einen Krieg zu führen. Heute waren sie einfache Reisende.
    Damals standen sie an der Spitze einer Armee.
    Heute kamen sie zu zweit.
    Gillian und Karisma traten aus der Enge der Carrer del Sol, hinaus auf die Plaza Temple. Tagsüber stand die Sonne für mehrere Stun-den über dem Platz und flutete ihn mit sandfarbener Glut. Nachts aber kroch die Dunkelheit aus den angrenzenden Gassen. Um Mitternacht war es hier finsterer als an vielen anderen Stellen Palma de Mallorcas, und die Menschen, die in den benachbarten Häusern lebten, kannten die Gefahren ihres Viertels. Seit die Templer hier geherrscht hatten, waren Jahrhunderte vergangen, nur der klobige Umriss des früheren Ordenspalastes erinnerte noch an jene Zeiten. Heute wickelten in den umliegenden Gassen die Gauner und Huren der Stadt ihre Geschäfte ab, und nach zahlreichen Messerstechereien und dem einen oder anderen Feuergefecht zogen die Anwohner es vor, ihre Fensterläden nach Sonnenuntergang zu schließen und ihre Türen zu verriegeln. Kein Lichtstrahl drang aus den engen Quartieren nach außen, und die wenigen Geräusche und Stimmen schallten aus den Nachbargassen herüber, aus verräucherten Kaschemmen, in denen der Alkohol so wenig wert war wie jene, die ihn tranken.
    Die Plaza Temple war verlassen, als Gillian und Karisma sie überquerten. Beide trugen lange Bündel aus Tuch unter den Armen. Niemand würde auf die Idee kommen, dass darin ihre Schwerter verborgen waren. Falls doch, würde man sie vermutlich für Souvenirjäger halten, in Anbetracht der Umgebung vielleicht auch für Kunstdiebe.
    Ihre Schritte hallten über das Pflaster und wurden von den dunklen, stillen Fassaden zurückgeworfen. Eine Katze schlich eine Weile ne-ben ihnen her, ohne sie aus den Augen zu lassen. Schließlich schlug das Tier einen Haken und verschwand hinter einigen Mülltonnen am Rand des Platzes.
    »Mir gefällt das nicht«, sagte Karisma nicht zum ersten Mal.
    Gillians Blick streifte über die geschlossenen Fensterläden. Die beiden einzigen Lampen brannten an gegenüberliegenden Seiten der Plaza, und der Schein ihrer Petroleumflammen reichte nicht weit ge-nug, um das mittlere Drittel des Platzes zu erhellen. Für Beobachter aus den Häusern mussten Gillian und Karisma im Augenblick so gut wie unsichtbar sein.
    »Wenn es eine Falle ist, dann eine dumme«, sagte er.
    Karisma kräuselte die Unterlippe. »Wer ist dümmer: Derjenige, der eine dumme Falle stellt, oder diejenigen, die geradewegs hineinlaufen – obwohl sie wissen, dass es eine dumme Falle ist?«
    »Sehr sinnig.«
    »Warum, zum Teufel, sind wir überhaupt hier?« Natürlich kannte sie die Antwort.
    »Weil es unsere einzige Spur ist. Wenn wir den spanischen Zweig der Templer finden wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als nach jedem Strohhalm zu greifen. Und so wie es aussieht, war Lascaris Hinweis, es hier auf Mallorca zu versuchen, gar nicht so weit hergeholt.«
    »Nur weil du diesen Escriva aufgestöbert hast –«
    Er unterbrach sie. »Er hat uns aufgestöbert. Das ist ein Unterschied, findest du nicht?«
    Sie schnaubte verächtlich. »Und du denkst nicht, dass ihn das verdächtig macht? Ich meine, nur ein ganz kleines Bisschen?«
    Er blieb stehen und sah sie an, kaum mehr als eine Silhouette vor dem Licht am Ende des Platzes. »Du musst es mir nicht zehnmal sagen, damit ich begreife, was du meinst. Aber es heißt, dieser Kerl wisse mehr über den Templerpalast als jeder andere in Palma. Noch dazu ist es durchaus in unserem Sinne, diese Sache so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen. Bisher hab ich gedacht, das wäre auch in deinem Interesse.«
    »Warum führst du dich eigentlich jedes Mal auf wie ein Gockel, wenn ich es wage, dich zu kritisieren?«
    »Weil du es von morgens bis abends tust.«
    »Oh, verzeih, ehrwürdiger Großmeister.«
    Er sah sie einen Augenblick stumm an, dann schüttelte er den Kopf und ging weiter. Es wäre vollkommen sinnlos gewesen, sich auf den Respekt zu berufen, den sie seinem Status im Orden hätte zollen müssen – vor allem, weil er selbst es gewesen war, der immer wieder betont hatte, dass er keinen Wert darauf lege. Und er konnte ihr nicht böse sein, auch dann nicht, wenn sie jede seiner Entscheidungen in Frage stellte und sich alle

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