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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Luft an und horchten.
    Brabbelnde Stimmen aus den Tiefen der Anstalt. Jemand begann zu lachen und hörte gar nicht mehr auf damit.
    »Er verfolgt uns nicht«, flüsterte Gian.
    Auras Nicken kam zögernd.
    »Du traust dem Frieden nicht?«
    Ohne eine Antwort wandte sie sich wieder um. Die Tür war unverschlossen.
    Dahinter lag ein breiter Flur, augenscheinlich der Hauptkorridor des Sanatoriums. Zu beiden Seiten befanden sich Zellen. Vereinzelte Lampen spendeten fahles Licht, Wimmern und Schreien drang durch die Türen.

    In alle Zugänge waren Sichtgitter eingelassen, um die Insassen vom Flur aus beobachten zu können. Aura und Gian würden von Zimmer zu Zimmer gehen müssen, um Gillian zu finden, im ungünstigsten Fall auf beiden Etagen. Wenn hier Pfleger oder Nachtwächter patrouillierten, standen ihre Chancen nicht gut. Nirgends gab es ein Versteck.
    »Es müsste doch ein Verzeichnis aller Patienten geben«, sagte Gian.
    »Deine Freundin Colette konnte das wohl nicht für dich rausfinden?«
    Er ächzte leise. »Sie hat mir das nicht erzählt, damit ich hier einbreche .«
    Sie schenkte ihm ein Lächeln und sah noch einmal über die Schulter zurück – keine Spur von dem Affen –, dann schlüpfte sie hinaus auf den breiten Korridor. Gian folgte ihr und zog die Tür leise hinter sich zu. Falls jemand aus einem der Zimmer trat, würde er sie sofort entdecken.
    »So ein Verzeichnis dürfte es im Büro des Direktors geben«, flüsterte sie. »Und wenn er dort Angehörige empfängt, dann finden wir es mit Sicherheit nicht in diesem Trakt.«
    Links von ihnen befand sich eine breite Doppeltür mit stahlverstärktem Rahmen. Das musste der Durchgang zum Haupthaus sein. Behutsam öffnete Aura den rechten Flügel; er war breit und schwer und gut isoliert. Dahinter lag ein verlassener Speisesaal, ein ehemaliger Salon des Herrenhauses. Die zahlreichen Vierertische waren mit teurem Porzellan eingedeckt. Messer und Gabeln gab es keine, dafür silberne Löffel. Das war ein auffälliges Detail, aber etwas sagte Aura, dass sie sich trotz allem nur in einer Art Kulisse befanden, einem Raum, der dazu diente, zahlungswillige Kunden zu beeindrucken. Essensgerüche hätten sich in Teppichen und Tapeten festsetzen müssen, aber als Aura an einen der Vorhänge trat und ihn zur Nase führte, roch sie nichts als Staub und Alter.

    Sie durchquerten den dunklen Saal, gelangten in die Eingangshalle des Haupthauses und schlichen eine breite Steintreppe hinauf. Ölgemälde an den hohen Wänden zeigten pastorale Szenen eines lieblichen Landlebens. Gian, der Surrealist, sah aus, als müsste er sich übergeben.
    Auf halber Höhe der Treppe legte Aura eine Hand auf seinen Unterarm. »Warte.«
    Er blieb stehen und horchte. Nach einem Moment hörte er es auch. Ein gleichmäßiges Rumoren erklang aus einem der beiden oberen Stockwerke, ein Mahlen oder Schleifen wie von einer Maschine.
    Vorsichtig setzten sie ihren Weg fort. Mehrfach blickte Aura zurück um sicherzugehen, dass ihnen niemand folgte – vor allem nicht der verfluchte Pavian –, aber die Eingangshalle blieb leer.
    Eine Wanduhr im ersten Stock zeigte kurz nach eins an. Vielleicht hätten sie noch eine Stunde oben auf dem Hügel warten sollen, um sicherzugehen, dass das Büro des Direktors verlassen war. Tolleran lebte vermutlich ganz in der Nähe, womöglich hier im Haus. Ihn so spät nachts an seinem Arbeitsplatz vorzufinden war unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.
    Irgendwo schlug eine Tür.
    »Das kam von oben«, flüsterte Gian. Zu Auras Überraschung griff er in seine Lederjacke und zog eine eigene Pistole hervor. Als sie ihn fragend ansah, hob er die Schultern. »Nur zur Sicherheit.«
    »Du hast das Ding mit keinem Wort erwähnt!«
    »Über manches spricht ein Sohn nicht gern mit seiner Mutter.«
    Sie beließ es bei einem tadelnden Blick und setzte ihren Weg fort. Eine Balustrade führte im ersten Stock um das Foyer.
    Zwischen zwei Marmorstatuen befand sich eine offene Flügeltür. Dahinter lag ein Vorzimmer mit einem penibel aufgeräumten
Schreibtisch, einem Aktenschrank und hohen Blumenvasen. Eine weitere Doppeltür am gegenüberliegenden Ende des Raumes war geschlossen.
    »Das dürfte das Büro sein«, murmelte Aura.
    Jäh machte Gian einen Satz auf sie zu und schob sie an den Statuen vorbei in das Vorzimmer. Draußen erklangen Schritte. Sie kamen von oben, aus dem zweiten Stock. Jemand ging an der Balustrade entlang. Atemlos hörten sie zu, wie sich der Unbekannte in

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