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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Glück ! So was in der Art. Dann streichst du alle Umlaute aus den Wörtern. Die Konsonanten fügst du zu einem einzelnen Zeichen zusammen, vollkommen frei, ohne alle Regeln. Du gehorchst dabei nur deiner Intuition, so, wie es dir in diesem Augenblick gerade richtig erscheint. Dann konzentrierst du dich darauf – nur darauf – und prägst es dir ein. Du zwingst es dir ins Gehirn, wie ein Brandzeichen.«
    Als er nicht fortfuhr, fragte sie: »Das ist alles?«
    »Man benutzt bestimmte Techniken – halluzinogene, auch sexuelle –, um die Wirkung zu verstärken. Es gibt da eine ganze Reihe von Möglichkeiten.«
    »Und du glaubst, dass das hier so ein Siegel ist?«
    »Könnte jedenfalls sein.«
    »Hast du eine Idee, was es bedeutet?«
    Er zuckte die Achseln. »Da drin stecken eine Menge Konsonanten. S – P – q – R, zum Beispiel.«
    »Senatus Populusque Romanus .«
    Er nickte. »Senat und Volk von Rom . Der Spruch aus den römischen Standarten.«
    »Aber das ist kein Wunsch und schon gar kein Befehl. Den Römern ging es um die Weltherrschaft, aber würde jemand das heute so umschreiben?«
    »Wie gesagt, die Wünsche können beliebig verkürzt werden. Nur für den Wünschenden selbst müssen sie einen Sinn ergeben. Aber ich finde kein wirklich überzeugendes M. Und L oder N auch nur mit künstlerischer Freiheit. Trotzdem, das Prinzip hast du verstanden, vielleicht hilft es dir ja. In Prag oder sonst wo.«

    Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Danke, Gian.«
    Er legte den Pinsel beiseite und steckte die Hände in die Hosentaschen.»Ohne dich hätte ich ihn niemals befreien können.«
    »Und ich nicht ohne dich.« Ihre Augen begannen zu brennen, doch statt zu ihm zu gehen, nahm sie ihren Koffer und öffnete die Tür. »Ich melde mich bald.«
    Er nickte nur.
    Sie verließ das Haus durch das leere Foyer des Filmtheaters und suchte sich ein Taxi zum Flugplatz.

KAPITEL 20
    Das Boot, das die Besucherin zum Schloss Institoris brachte, stieß aus dem Morgennebel und passierte die Moosgesichter der Steinlöwen.
    Sylvette hatte das Wummern des Motors bereits im Zypressenhain gehört und ihre Schritte beschleunigt. Als sie zwischen den Bäumen hervortrat, war das Boot nur noch wenige Meter vom Landungssteg entfernt. Nebelschwaden schwebten um die schlanke, aufrechte Gestalt an der Reling und verschleierten ihr Gesicht. Dann schälte sich allmählich ein Lächeln aus dem Dunst. Die Frau hob eine Hand zum Gruß, als ein Windstoß über die Felsen jagte und selbst das Wasser der Bucht eine Gänsehaut bekam.
    Sylvettes Herzschlag pochte hinter ihren Schläfen, nicht einmal der Hall ihrer Schritte auf dem Steg konnte ihn übertönen.
    »Fünf Wochen«, rief die Besucherin, kurz bevor das Boot anlegte. »Es fühlt sich eher an wie fünf Monate.« Ihr Deutsch war nahezu perfekt, und Sylvette mochte die osteuropäische Melodie ihrer Aussprache. Sie klang nach Orten, die sie nur aus den Erzählungen ihrer Schwester kannte.
    »Ich bin froh, dass du endlich hier bist.« Sie reichte der Frau die Hand, um ihr vom Boot zu helfen.
    Sie umarmten einander und küssten sich. Nach einem Moment spürte Sylvette das Tasten einer Zungenspitze und erwiderte es sanft. Der Bootsmann sah zu, aber das war ihr egal. Wahrscheinlich kursierten entlang der Küste ganz andere Geschichten über die Familie Institoris und ihre verrückten Frauenzimmer.

    Schweigend stellte er zwei Koffer auf den Planken des Steges ab, tippte sich an den Schirm seiner Mütze und ging zurück an Bord. Sylvette löste sich mit einem Lächeln aus der Umarmung und winkte ihm zu.
    »Vielen Dank!«
    Er brummte etwas, verschwand im Führerhaus und legte ab.
    Sylvette wandte sich um und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder ganz ihrer Besucherin. Ihr Name war Axelle, und bei ihrer ersten Begegnung in Berlin hatte Sylvette sofort gewusst, dass sie eine Weltreisende vor sich hatte. Neben Charme und Eleganz besaß Axelle die Ausstrahlung eines Menschen, der immer noch mehr gesehen, erlebt und ausprobiert hatte als man selbst.
    Ihre Haut war von erhabener Blässe, ihr Haar dunkelrot. Sie war nicht größer als Sylvette, doch wer sie ansah, hielt sie für hochgewachsen. Das mochte an ihrem Körperbau liegen, an ihren ungewöhnlich langen Gliedern, die jedermanns Blicke auf sich zogen, begehrlich die der einen, befremdet die der anderen. Doch ob man nun von ihr angezogen oder irritiert wurde, es führte kein Weg daran vorbei sich einzugestehen, dass Axelle faszinierte, sowohl durch ihr

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