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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Sophia, als Aura ihr in der Garderobe gegenüberstand. Ihr Lächeln ließ sie erwachsener erscheinen, obwohl sie auch von Nahem kaum älter wirkte als Anfang zwanzig. »Auf Balthasars Kutschbock durch die Stadt zu fahren, hat für eine Menge Gerede gesorgt.«
    Sie stand da wie eine Glasfigur, unter deren Oberfläche Nebelschwaden kreisten – so bleich war ihre Haut, so durchscheinend und zart marmoriert wie wogender Dunst. Sie trug ein schulterfreies weißes Seidenhemd, das bis auf ihre Schenkel fiel. Die Träger spannten über den ausgeprägten Schlüsselbeinen. Ihre Brustwarzen waren durch den hauchdünnen Stoff zu sehen, vor allem aber die Augen rund um die rosa Höfe.
    Aura war nicht überrascht, dass sich ihre Anwesenheit so schnell herumgesprochen hatte, aber umso erstaunter, dass Sophia keinen Hehl aus ihrem Interesse machte. Es erforderte Konzentration, sich vom Anblick dieses Körpers und seiner Ornamente zu lösen und ihr stattdessen in die Augen – die echten – zu sehen.
    »Bin ich wegen dir hier?«, fragte Aura.
    Sophias Lippen deuteten ein Lächeln an. »Das würde mich freuen.«
    »Du bist Tollerans Auftraggeberin.«
    Die feingliedrigen Hände tasteten rückwärts nach dem Rand des Schminktischs. Ihre Fingernägel waren mit weißer Farbe überzogen. Das war ungewöhnlich, Aura hatte es erst ein- oder
zweimal bei anderen Frauen gesehen. Der Lack war eigentlich für Automobile entwickelt worden; die Kosmetik hatte ihn erst kürzlich für sich entdeckt.
    Sophia lehnte sich gegen die Tischkante und überkreuzte die nackten Füße. Sie waren so schmal und schön wie alles an ihr. Ein winziger blauer Fleck auf ihrem rechten Schienbein machte sie ein wenig menschlicher, aber nicht sehr.
    »Tolleran?«, fragte sie. »Sollte ich jemanden kennen, der so heißt?«
    »Er ist hier im Varieté gewesen. Vor ein paar Wochen.«
    »Viele Männer kommen hierher, an fünf Tagen in der Woche. Nur die allerwenigsten frage ich nach ihren Namen.« Sie sagte das so unschuldig, als bäte sie die Herren um ein Taschentuch. »Aber ein Tolleran? Nicht soweit ich mich erinnern kann.«
    Aura musste ihren Blick von Sophias Gesicht, ihren Schultern und den Tätowierungen losreißen. Die Garderobe war ein langer Schlauch, der Schminktisch stand ganz am Ende; sein Spiegel war von Glühbirnen umrahmt. Daneben reichte ein zweiter Spiegel vom Boden bis zur Decke. Rechts und links an den Wänden hingen unzählige Kostüme. Darüber befanden sich Fächer voller Kopfbedeckungen: breite Hüte, schillernde Turbane, exotischer Federschmuck und venezianische Papiermasken. Es roch nach Schminkpuder und Mottenkugeln.
    Die meisten Kleider reichten bis zum Boden und hingen so dicht beieinander, dass die Wände nicht zu sehen waren. Dahinter hätte sich Gottweißwer verstecken können.
    »Warum hast du mich eingeladen?«
    »Ich war neugierig. Erst gestern Abend hat man dich mit Balthasar gesehen, und heute sitzt du in meiner Vorstellung. Normalerweise ist das Nadeltanz nicht die erste Anlaufstelle für jemanden wie dich.«
    »Jemanden wie mich?«
    »Nicht viele wissen von Balthasar und nehmen bewusst seine
Dienste in Anspruch. Und jene, die es tun, sehen nicht aus wie du.«
    »Du bist auch mit ihm gefahren. Vor zweihundert Jahren.«
    Sophias Wangen röteten sich. »Manchmal frage ich mich, mit welchem Recht er den Leuten all diese Dinge erzählt.«
    »Dann ist es wahr?«
    »Sein Gefühl für die Zeit ist nicht das allerbeste. Ich würde mich an deiner Stelle nicht auf Jahreszahlen verlassen, falls er dir noch andere genannt hat. Aber, ja, ich hab ihm eine Reihe von Fragen gestellt. Wahrscheinlich sollte ich mich nicht über seine Geschwätzigkeit beschweren.« Sophia wickelte sich schmunzelnd eine Strähne ihres gläsernen Haars um den Zeigefinger. »Über mich haben sie sich damals ebenso den Mund zerrissen wie über dich. Wir haben also etwas gemeinsam. Grund genug, dass wir uns besser kennenlernen, finde ich.«
    Aura versuchte, in Sophias Gesicht zu lesen. Ebenso gut hätte sie versuchen können, die Mimik einer Porzellanpuppe zu deuten. Dabei wirkte die Tänzerin weder kühl noch abweisend, ganz im Gegenteil.
    Sophia zog eine weite Leinenhose von einer Stuhllehne und schlüpfte hinein. Kurz waren ihre Oberschenkel und Hüften zu sehen. »Komm mit«, bat sie, drückte gegen den hohen Spiegel und öffnete eine verborgene Tür.
    »Wohin?«
    »An einen Ort, der gemütlicher ist als dieser hier. Die ehemalige Fürstenloge über dem

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