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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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auch immer ich es zu verdanken habe, dass du hergekommen bist«, flüsterte Sophia, als sie ihre Wange von hinten an Auras Schulter legte, »ich sollte ihm einen Stapel Freikarten schicken. Falls du etwas von ihm übrig lässt.«
    Das zweite Glas Absinth auf der Terrasse hatte Aura benommen gemacht. Sophias Berührung hätte ihr unangenehm sein müssen, vielleicht ein wenig peinlich, aber stattdessen fühlte sie sich wohl. Sie war nicht betrunken und wusste, worauf es ihre Gastgeberin anlegte – das alles war eine intimere Fortsetzung dessen, was auf der Bühne begonnen hatte –, und Auras Verstand sagte ihr, dass es sie bestenfalls amüsieren, nicht erregen sollte. Warum aber genoss sie es dann, als Sophias Finger ihre Rippen erklommen? Wieso hatte sie das Gefühl, sich selbst dort berühren zu müssen, wo Sophia es nicht tat?
    Mit einer behutsamen Drehung löste sie sich aus der Umarmung der Tänzerin, musste lächeln, weil Sophia lächelte,
machte aber einen Schritt rückwärts, bis sie die Steinbrüstung hinter sich spürte.
    Sophia blieb vor ihr stehen, überkreuzte wieder die Füße, verschränkte die Hände vor ihrem Schoß und schaute für einen Moment ein wenig linkisch zu Boden. Dann hob sie den Blick und sah Aura in die Augen. »Ich weiß, was du jetzt denkst. Aber ganz so ist es nicht. Ich fange nicht oft etwas mit Frauen an, weil sie es meist doch nur so gut machen wie ich mir selbst.«
    Aura lachte eine Spur zu nervös. Als Sophia wieder näher kam, zogen die bekannten Alchimistinnen der Antike durch ihre Gedanken. Die Priesterin Isis, die ihre Weisheit als Preis für ihre Liebe zu einem Engel erhalten hatte. Miriam, die Schwester des Moses, deren Schriften unter dem Pseudonym Maria die Jüdin überliefert waren. Kleopatra, Autorin der Chrysopoeia, von der keiner wusste, ob sie dieselbe Frau gewesen war, der einstmals Julius Caesar verfiel. Und natürlich Theosebia, Schwester des ersten Apologeten der Alchimie, Zosimos von Panopolis.
    Wann war aus einer Suchenden, wie sie alle es gewesen waren, eine Varieté-Attraktion geworden? Sophia hätte jede von ihnen sein können – oder einfach nur eine namenlose junge Frau des Mittelalters, vielleicht der Renaissance. Ganz sicher hatte sie Dinge gesehen, von denen Aura nur träumen konnte.
    Als Sophia die Arme auf Auras Schultern legte und ihre Oberkörper sich berührten, sprang eine Katze vom Dach auf die Terrasse, gejagt von einer zweiten. Die Tiere fegten kreischend an den Frauen vorüber und hinterließen eine Blutspur. Augenblicke später balgten sie sich auf den Giebeln des Nachbarhauses.
    Aura glitt aus Sophias Umarmung, atmete die kalte Nachtluft und den betörenden Duft der Tänzerin ein, bewegte sich aber nicht weiter als einen halben Schritt von ihr fort.
    »Ich hätte gern ein Glas Wein«, sagte sie.

    Sophias Augen blitzten amüsiert. Dann nickte sie mit ihrem Magdalenenlächeln und ging hinein, hantierte mit Gläsern und Flaschen, während Aura aus der Dunkelheit zu ihr ins Licht sah.
     
    In einem Spalt zwischen den Vorhängen gleißte die Morgensonne. Es roch nach warmem Bettzeug und dem offenen Schrank. Die meisten Kleidungsstücke waren weit im Raum verstreut, manche auf kniehohen Haufen.
    Auras schwarze Sachen lagen neben dem Bett auf dem Boden. Sie konnte sich nicht erinnern, wie und wann sie sie ausgezogen hatte.
    Mit schwerem Kopf und noch schwereren Augenlidern richtete sie den Oberkörper auf, schien gegen eine Wand zu prallen und sank mit einem Stöhnen zurück in die Kissen. Wein auf Absinth, ganz wunderbar. Und vermutlich war es beim Wein nicht geblieben.
    Mit beiden Händen hob sie das dicke Plumeau und schaute darunter. Sie war nackt bis zu den Fußspitzen. Seufzend ließ sie die Decke fallen, suchte in sich das Echo irgendwelcher Eindrücke, und kam zu dem Schluss, dass sie – soweit sie die Nacht rekonstruieren konnte – nicht mit Sophia geschlafen hatte. Hätte sie das erleichtern müssen? Angesichts der Tatsache, dass sie auf ihrer Suche nach Tollerans Hintermännern volltrunken im Bett einer anderen Unsterblichen gelandet war, hätte es zu Schlimmerem als Sex kommen können.
    Mit ihrer Linken tastete sie zur Seite und klopfte den Kissenberg flach. Keine warm gelegene Mulde. Das Sonnenlicht brannte in ihren Augen, sie konnte kaum die Lider offen halten. Mehr als die grobe Geographie des Raumes und das Durcheinander der Kleidungsstücke hatte sie bislang nicht erkannt. Gefahr schien hier keine zu drohen.

    Nur ein

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