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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gerade Estella es besser wissen müssen.«
    »Warum ausgerechnet sie?«
    »Ihr Vater war Adams Vorgänger. Ein Angestellter der Familie, der die vorangegangene Generation in Wachs festgehalten hat. Damals war es dem Personal offenbar noch nicht verboten, seinen Nachwuchs mitzubringen, denn so kam Estella ins Haus und umgarnte den jungen Ludovico, bis der ihr nach Jahren endlich einen Antrag machte.«
    »Mein Großvater war ein Meister seines Fachs«, verkündete Adam. »Alles, was ich über Wachsfiguren weiß, habe ich von ihm gelernt.«
    Während sie an der Ahnenreihe der Octavians entlanggingen,
hielt Adam einen Vortrag über die Herstellung der Figuren. Demnach wurde als Erstes am Original Maß genommen und mithilfe eines Abdrucks eine Gipskopie des Gesichts angefertigt. Danach baute er die Armatur, eine Art Skelett aus Metall und Holz, auf das er aus Ton den Körper in der gewünschten Haltung modellierte. Beides, Kopf und Körper, wurden anschließend verwendet, um Formen herzustellen, die er wiederum mit heißem Wachs ausgoss. Bis dies fehlerfrei gelang, waren zahlreiche Versuche nötig. Erst wenn die Figur perfekt war, ohne Lufteinschlüsse oder andere Makel, bemalte er sie sorgfältig mit speziellen Farben. Allein die Augen wurden von einem Glasbläser geliefert, den Rest erledigte er eigenhändig hier im Palais.
    Die älteren Figuren hatten im Laufe der Zeit Risse bekommen oder waren lieblos ausgebessert worden. Von manchen war die Farbe abgeblättert. Einer Frau in verblichenem Schwarz hing ein Arm verdreht von der Schulter; ihr Nachbar hatte ein zu kurzes linkes Bein, weil das Wachs nachgegeben hatte. Einige der Gesichter hatten sich verformt und waren zu Grimassen verzogen. Ein junges Mädchen sah aus, als schrie es aus Leibeskräften, weil sein Unterkiefer fast bis aufs Brustbein hinabgesunken war.
    »Der Zustand von einigen ist ziemlich bedauernswert«, sagte Sophia. »Aber es sind genug darunter, die es nicht besser verdient haben.«
    »Wenn die Rezeptur des Wachses stimmt«, erklärte Adam, »kann die Wärme hier oben ihnen nichts anhaben. Die Figuren meines Großvaters und auch meine eigenen sind für die Ewigkeit gemacht. Da vorn, das sind meine Eltern.«
    Die Ähnlichkeit war verblüffend. Ludovicos Figur entsprach genau jener Mischung aus Schwäche und Gleichgültigkeit, die er auch im wahren Leben zur Schau trug. Estella hatte das Gesicht eines angreifenden Habichts.

    »Die sind hervorragend«, sagte Aura.
    Adam murmelte geschmeichelt einen Dank, konnte ihr dabei aber nicht in die Augen sehen. Sophia wiederum schien sich einen Spaß daraus zu machen, in dieselbe Kerbe zu schlagen und stimmte ein Loblied auf ihn an, bis sich sein Kopf feuerrot färbte.
    »Komm«, sagte Sophia schließlich zu Aura, »ich zeig dir Zuzana. Ihre Figur wird gerade rekonstruiert.«
    »Sie ist noch in der Werkstatt.« Adam deutete auf eine Doppeltür in der langen Ziegelwand.
    Dahinter lag ein großer Raum, der sich über zwei Stockwerke erstreckte. Ein Karree in der Mitte war nach oben hin offen. Über die Ränder hinweg konnte Aura sehen, dass sich in der höher gelegenen Etage zwei große Kesselanlagen befanden. Der Dachgiebel war aus Glas, wenn auch nicht so weitläufig wie daheim im Schloss; die Scheiben ließen sich öffnen, damit die Hitze des flüssigen Wachses ins Freie entweichen konnte. Mondlicht fiel durch das Glas herein.
    Auf Tischen im unteren Teil der Werkstatt lagen Gerätschaften, die Ähnlichkeiten mit dem Operationsbesteck eines Chirurgen aufwiesen. In den Ecken türmten sich zerbrochene Gipsgesichter und zerschlagene Körperteile.
    Adam schaltete die Beleuchtung ein. Schwefelgelbes Licht erfüllte den hohen Speicherraum.
    Zwei Wachsfiguren standen sich inmitten des Karrees gegenüber. Die eine war das Abbild Odas, bildhübsch, da Adam sie ohne die groteske Zirkusschminke abgebildet hatte, mit der sie zum Essen erschienen war. Ihr makelloser Körper war nackt und noch nicht vollständig bemalt.
    Die zweite Figur musste Zuzana Octavian sein, die Weltreisende und Entdeckerin. Mit blinden weißen Glasaugen blickte sie genau in Auras Richtung.
    »Jemand hatte ihr die alten aufgemalten Augen ausgestochen.
« Adam ging auf die Figuren zu. »Ich habe sie durch neue aus Glas ersetzt, aber ich konnte nicht mehr erkennen, welche Farbe die Originale hatten. Darum sind ihre Augen noch weiß.«
    »Sie waren blau«, sagte Sophia.
    »Ich müsste in ihren Aufzeichnungen nachschlagen, ob irgendwo etwas —«
    »Es

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