Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Aldi-Welt

Die Aldi-Welt

Titel: Die Aldi-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Hintermeier
Vom Netzwerk:
Steuern bezahlt, das kann in seinem Namen noch so oft das Wort ›deutsch‹ haben, das erkenne ich nicht mehr als deutsches Unternehmen.« Schlichen darob die deutschen Spitzenmanager geknickt einher? Von wegen. Der Mercedes-Rambo Schrempp hatte sich zuvor weit aus dem Fenster gelehnt und verkündet, sein Unternehmen werde bis zum Jahr 2000 keine Steuern mehr in Deutschland zahlen (erst das Debakel mit den umstürzenden Neuwägen konnte der Konzernspitze leisere Töne entlocken). Dem Image hat Steuerhinterziehung – im Gegensatz zum Ingenieurspfusch – noch nie wirklich geschadet, eher ist das Gegenteil der Fall: Solches Tun, clever arrangiert, hält ein Heer von hochspezialisierten Steuerberatern in Lohn und Brot und wird von Volkes Stimme als deutsche Wertarbeit verbucht. Hugo Müller-Vogg, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, diagnostizierte in diesem Zusammenhang, er kenne – nach dem Sexualtrieb – keinen Trieb, der beim Menschen so ausgeprägt sei wie der, Steuern zu vermeiden.
    Der »Laissez-faire-Kapitalismus« ist freilich nur so lange lustig, als man auf der Gewinnerseite sitzt. Und das werden, darin sind sich Kritiker und Befürworter auffallend unauffällig einig, künftig immer weniger Menschen sein können. Die UNO veröffentlichte im Jahr 1996 eine Statistik, derzufolge 358 Milliardäre weltweit mehr Vermögen besitzen, als knapp die Hälfte der Menschheit verdient. Eine andere Statistik besagt, daß die 20 größten Unternehmen der Welt, darunter Mitsubishi, Shell, Daimler-Benz, mehr Umsatz erzielen, als die 80 ärmsten Länder zusammen erwirtschaften. Die deutschen Industriekapitäne drängt es mit aller Macht hinaus auf den globalisierten Marktplatz. Wer dort mitspielen will, als global player, darf freilich keine allzugroßen Rücksichten mehr auf seine Leutchen daheim in den Fabriken nehmen. Mahner gibt es genug. Beim französischen Nachbarn etwa erzielte die Literaturkritikerin Viviane Forrester einen Sensationserfolg mit ihrem antikapitalistischen Manifest Der Horror der Ökonomie, der auch auf deutsch erschienen ist. Nicht untypisch, daß die Resonanz des Themas in den hiesigen Medien sich nicht im Verkauf des Buches niederschlug, obwohl darin wundersam geraunt wird von schemenhaften Managern, die gar nicht mehr von dieser Welt sind, für diese aber eine totalitäre Herrschaft im Sinne führen. Zudem gibt es auch hierzulande genügend andere Verschwörungstheoretiker, die einen Angriff des Großkapitals auf die Menschheit diagnostizierten, etwa Hans-Peter Martin und Harald Schumann (Die Globalisierungsfalle) oder Robert Misik (Mythos Weltmarkt). Manche führende Nadelstreifenträger in den Wirtschaftsredaktionen der Meinungsführer haben diese Bücher nur mit spitzen Fingern angefaßt, als spekulative Machwerke abgetan. Ihnen sei, aus einer ganz anderen Zeit kommend, ein Eintrag ins Poesiealbum gewidmet, den Hans Magnus Enzensberger 1982 in Transatlantik notierte: »Die wichtigste Botschaft des Wirtschaftsteils, die er täglich wiederholt, ohne es zu merken, lautet: Wo es ums Geld geht, hat die Demokratie nichts zu suchen.«
    Schuld an der Misere haben, das soll hier nicht unterschlagen werden, Aldi-Kunden. Jedenfalls Teilschuld. Die andere Hälfte der Schuldenlast trägt der Kleinaktionär – wobei eine Schnittmenge zwischen Aldi-Kundschaft und Telekom-Aktionär durchaus wahrscheinlich ist. Gabor Steingart schrieb im Spiegel: »Der Kunde und sein aggressiver Zwillingsbruder, der Schnäppchenjäger, sind für den neuen Takt der Weltwirtschaft mitverantwortlich. Mit ihrer Kaufentscheidung treiben sie die Manager der Konzerne zum Besser, Schneller, Billiger an.« Klingt irgendwie vertraut, nicht wahr? Besser. Schneller. Billiger. Da sitzt er nun, der getriebene Manager, und kann nicht anders. Denn Aldi-Kunden gibt es gewissermaßen in allen Industrienationen auch. In McWorld haben die Bewohner die gleichen Bedürfnisse; sie sind gleich angezogen, sehen die gleichen Fernsehprogramme, hören die gleiche Musik – und alles möglichst billig, pardon preisgünstig.
    Finanziert wird das neuerdings über den Traum vom Aktionär, der sich in kurzer Zeit auf dem florierenden Weltaktienmarkt ein goldenes Näschen verdient. Vom Börsengang der Telekom in einen Taumel versetzt, rennt der deutsche Kleinsparer neuerdings als Kleinaktionär durch die Gegend, um sich eine Altersversorgung zuzulegen, die ihm Vater Staat nicht mehr wird gewähren können. Die Rente ist sicher. Und die Erde

Weitere Kostenlose Bücher