Die Alptraum-Frau
das eine noch das andere, John. Ich bin gekommen, weil ich möchte, dass du mir zuhören sollst.«
»Gern.«
»Mein Besuch wird dir ungewöhnlich vorkommen, was er auch ist, aber er hat seine Gründe.«
»Geht es um Atlantis?«
»Im Prinzip ja. Atlantis ist ein sehr wichtiger Punkt, und es strahlt wieder in die heutige Zeit hin ab. Dir muss ich nicht erst sagen, dass das Land zwar unterging, sein Erbe allerdings nach wie vor Bestand hat. Da brauchst du nur mich anzuschauen.«
»Stimmt.«
»Um aber auf den Punkt zu kommen, John, muss ich dir sagen, dass jemand aus dieser Zeit wieder unterwegs ist. Eine gefährliche Person, die ich nach dem Untergang auf meinen Reisen durch die Zeit schon öfter gesehen habe.«
Ich war ungeduldig und fragte: »Wer ist sie?«
»Sie nennt sich Urania.«
»Oh. Eine Frau?«
Kara wiegte ihren Kopf von einer Seite zur anderen. »Ja, wenn du es willst, dann ist sie es. Zumindest tritt sie zeitweilig als Frau auf. Aber sie ist zugleich auch etwas anderes. Sie ist eine Person, die nicht unbedingt aus Fleisch und Blut besteht. Sie ist auch kein Geist, sie ist schon materiell. Man kann sie anfassen, man kann sie fühlen, und trotzdem besteht sie aus etwas anderem, aus dem wir im Prinzip eigentlich alle bestehen.«
»Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht.«
»Sie besteht aus Sternenstaub!«
Das war eine Antwort, die gesessen hatte. Ich kam mir vor wie ein kleines Kind, das eine Super-Überraschung zu Weihnachten erlebte und nur noch staunen konnte. Kara lachte, als sie mein Gesicht sah. »Du machst den Eindruck, als würdest du mir nicht glauben, John.«
»Nein, doch, ja…« Ich redete Unsinn. »Ich bin nur ein wenig überrascht.«
»Wohl ein wenig viel.«
»Kann auch sein. Sternenstaub hast du gesagt?«
»Ja, aus dem wir letztendlich alle sind.«
»Ich möchte nicht so viele Jahre zurückgehen, das ist mir im Moment zu kompliziert, aber eine etwas genauere Erklärung brauche ich schon.«
»Deshalb bin ich hier.«
»Wunderbar.«
Kara lehnte sich entspannt zurück. »Ich kenne sie. Es ist jetzt nicht interessant, woher ich sie kenne, aber ich weiß ziemlich viel über diese Person. Sie ist kein Geist. Sie begegnet dir als Mensch. Sie begegnet jedem als Mensch, und sie wird dann ihr Menschsein aufgeben, wenn sie es geschafft hat, einen anderen Menschen in ihren Bann zu ziehen. Dann sieht es ganz anders aus.«
»Wie denn?«
»Urania kann man als eine Körperfresserin ansehen.«
Ich runzelte die Stirn. Körperfresser, der Begriff ließ bei mir eine Glocke anklingen. Ich kannte einen Film, der sich mit diesem Thema beschäftigte. Body Snatchers, hieß er wohl. Gesehen hatte ich ihn nicht, aber dass es diese Körperfresser auch in Wirklichkeit und in Gestalt dieser mir noch unbekannten Urania gab, war schon ungewöhnlich. Ich bezweifelte, dass Kara log, wollte aber mehr Informationen erhalten.
»Diese Urania ist also hier.«
»Ja, John. Ich nenne sie eine Alptraum-Frau. Der Begriff mag falsch sein, weil sie nicht in den Träumen der Menschen erscheint, aber im Prinzip stimmt es schon. Wer auf sie trifft und in ihre Kreise gerät, erlebt einen Alptraum.«
»Weil die den Körper des anderen frisst. Ist sie eine – direkt gefragt – Kannibalin?«
»Auf keinen Fall darfst du sie mit einer Menschenfresserin verwechseln, John.«
»Dann fällt es mir schwer, sie zu begreifen, muss ich dir ehrlich sagen. Tut mir leid, aber…«
»Keine Sorge, deshalb bin ich bei dir. Wenn du sie siehst, ist sie eine völlig normale Frau. Sie hat sich anpassen können, sie ist nicht hässlich, und sie versteht es, Menschen zu umgarnen. Sie lockt sie in eine Falle, die auch etwas mit Erotik zu tun hat. Es gibt bestimmt nicht viele Männer, die ihr widerstehen können. Auch deshalb nicht, weil sie sich zumeist Menschen aussucht, die sich in einer extremen Lage befinden und dicht vor dem Ende stehen.«
»Dem Tod, meinst du?«
»Ja, aber dem Tod durch die eigene Hand. Man würde sie als Selbstmörder bezeichnen.«
»Und was hat sie davon?« fragte ich.
»Sie braucht sie.«
»Ihre Seelen vielleicht?«
Kara schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht. Ihre Körper. Sie vereint sich mit der Person. Sie nimmt sie für sich ein. Sie schluckt sie, und diese Person gibt es dann nicht mehr.«
»Nein.«
»Doch, John, doch. Sperr dich bitte nicht dagegen. Ausgerechnet du tust so etwas.«
»Klar, Kara, weil ich damit einfach nicht mehr zurechtkomme. Es fällt mir auch schwer, die Dinge zu begreifen.
Weitere Kostenlose Bücher