Die Alptraum-Frau
getan.«
»Es ist mir egal.«
»Okay, du hast auch nichts damit zu tun gehabt. Wir möchten nur wissen, wo sich dein Vater jetzt aufhält. Er wird es dir bestimmt gesagt haben.«
»In einer besseren Welt.«
»Aber nicht allein.«
Benny lächelte. »Nein, er hat jemand gefunden. Ich kenne sogar ihren Namen. Sie ist sehr alt, aber sie ist auch sehr schön, wie er mir gesagt hat. Sie heißt Urania.«
»Die kennen wir nicht.«
»Ich auch nicht, aber Daddy mag sie. Sie hat ihn gerettet, und sie wird auch mich retten, denn er kann ohne mich nicht leben, hat er mir gesagt.«
»Hast du sie gesehen?«
»Noch nicht.«
»Was heißt das? Bekommst du sie zu Gesicht? Wird er sie eventuell mitbringen?«
»Ja, das kann sein. Er mag sie ja. Und ich bin wirklich gespannt auf sie.«
»Wie hast du denn deinen Vater gesehen?« wollte Amos Filmore wissen. »Wie hat er sich dir gezeigt? Mit seinem Körper? Ist er ein Mensch gewesen?«
»Er ist ein Geist«, flüsterte Benny. »Ein wunderschöner Geist. Ich habe es genau erkennen können. Er strahlt. Er leuchtet. Er ist richtig toll geworden.«
Die beiden Erwachsenen schauten sich an. Keiner von ihnen konnte die Erklärungen des Jungen begreifen, auch Janine nicht, obwohl sie Ross schon erlebt hatte.
»Wann kommt er denn?« fragte Filmore.
Der Junge überlegte nicht lange. Er drehte sich dabei und wies zur Tür. »Ich glaube, er ist schon da…«
Keiner sprach. Janine hatte sich wieder gesetzt. Der Sessel stand im günstigen Winkel zur Tür. Sie konnte hinschauen und sah auch in den halbdunklen Flur hinein, in dem sich etwas bewegte. Allerdings war noch nichts zu hören. Durch den Flur wanderte ein Schatten und näherte sich der Tür.
Es war nicht Ross Calderon. Weder in der einen, noch in der anderen Form. Es war eine Frau. Sie blieb stehen, schaute sich um, und nur der Junge sprach. »Das ist Urania«, sagte er…
Sie trug ein sandfarbenes langes Kleid mit einem spitzen, tiefen Ausschnitt und Schlitzen an den Seiten, die viel von ihren Beinen freigaben. Urania war keine Schönheit im eigentlichen Sinne, aber sie war interessant anzuschauen.
Ob ihr Haar silbrig oder blond war, ließ sich nicht genau feststellen.
Darunter zeichnete sich ein rundes, etwas zu blasses Gesicht ab, mit Augen, die sehr groß wirkten. Auch deshalb, weil sie keine Pupillen besaßen. Sie waren einfach von Licht erfüllte Öffnungen. Blass wie zwei Laternen, die erst in der Dunkelheit leuchteten.
Ein Mensch, kein Geist!
Janine und Amos dachten wohl das gleiche, denn es war ihnen anzusehen, wie sie sich entspannten. Filmore stieß den Atem schnaufend durch die Nase aus, und auch Janines Gesichtszüge verloren von der harten Spannung. Sie wunderte sich selbst, dass sie ihren Sohn ansprechen konnte. »Soll das dein Daddy sein?«
»Nein, aber er ist trotzdem hier. Ich spüre ihn.« Seine Augen strahlten.
»Dann siehst du mehr als wir.«
Amos Filmore hatte seine Kehle freibekommen. Den Schweiß wischte er nicht weg. Die Frau übte eine eigenartige Faszination auf ihn aus. Sie brauchte nichts zu sagen. Ihn nur anzuschauen, und er kam sich vor wie ein anderer Mensch, der alles andere, was ihm bisher wichtig gewesen war, vergaß. Es war ihm auch nicht möglich, den Blick abzuwenden. Er musste sie einfach anschauen, und so starrte er nur in ihr Gesicht.
»Amos, was ist mit dir?«
Filmore gab keine Antwort, obwohl sich Janine um ihn sorgte. Für ihn gab es nur die Neue. Er verspürte den dringenden Wunsch, aufzustehen und sie in die Arme zu schließen. Sie lockte, obwohl sie nichts sagte, und das faszinierte ihn.
»Gib Antwort!«
Das tat Filmore nicht. Er war unruhig geworden und rutschte leicht auf der Couch hin und her. Seine Lippen zuckten, jetzt lächelte auch er, und Janine Calderon wusste plötzlich, dass die Dinge dabei waren, sich anders zu entwickeln, als sie es sich vorgestellt hatte. Filmore war im Moment weniger wichtig. Ihr ging es um Benny. Deshalb stand sie auf und hielt ihn fest.
Benny wehrte sich nicht. Auch er war vom Zauber dieser Person gefangengenommen. Beide Erwachsenen hörten ihn flüstern. »Sie ist wirklich sehr schön…«
Als hätte Filmore nur dieses eine Stichwort gebraucht, so stand er mit einer heftigen Bewegung auf. Janine wusste, was ihr bevorstand, sie hätte auch versucht, ihn aufzuhalten, aber sie war nicht in der Lage dazu. Wenn überhaupt, dann musste sie sich um Benny kümmern, der Nachbar war jetzt nicht so wichtig.
Zwischen Couch und Tisch blieb er
Weitere Kostenlose Bücher