Die Alptraum-Frau
die beiden Zeugen es auch nicht beschreiben. Für sie war nur wichtig, dass Amos keinen normalen Körper mehr umschlungen hielt, sondern einen knochigen, eben ein Skelett.
Von großem Entsetzten begleitet schauten Benny und seine Mutter zu, wie sich auch der Kopf veränderte. Auch im Gesicht verschwand die Haut, als wäre sie von einem unsichtbaren Gegenstand weggeschabt worden. So kam das bleiche Gebein zum Vorschein. Helle Knochen, die leicht grau schimmerten. Da fehlte plötzlich die Nase, und auch die Lippen waren nicht mehr vorhanden, so dass Filmores Mund nur das bleiche Gebein küsste.
Janine Calderon wollte schreien. Sie wollte weglaufen. Sie wollte sich verstecken. In ihr tobte eine Hölle aus Gefühlen, die sie nicht unter Kontrolle bekam, weil eine andere Kraft stärker war. Janine wusste nicht, woher die Kraft kam, aber sie erhielt den Befehl zu bleiben. Sich nicht zu bewegen. Auf der Stelle zu stehen, immer nur zuzuschauen.
Das Grauen weiterhin im Auge zu behalten.
Benny schaute auch hin. Er lächelte selig. Er bewegte seine Lippen, über die schwache Worte drangen, auf die seine Mutter allerdings nicht achtete. »Daddy, ich weiß es. Daddy, ich spüre dich. Du bist auch hier. Ich habe es gemerkt…«
Urania küsste weiter. Sie ließ ihr Opfer nicht los. Filmore umschlang die Gebeine. Jetzt schien auch er zu begreifen, was er sich damit angetan hatte. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Zumindest in Höhe der Augen sah Janine das Zucken. Er war dabei, sich innerlich gegen diese Umarmung zu stemmen.
Ohne Erfolg. Sie ließ ihn nicht los. Und Urania zog diesen Menschenkörper zu sich hinein. Das war nicht möglich - oder doch?
Obwohl Janine Zeugin war, wollte und konnte sie dieses Phänomen nicht glauben. Es war einfach ungeheuerlich. Unmöglich. Was sie hier durchmachte, das war einfach nicht zu fassen. Ihre Augen weiteten sich noch mehr, der Herzschlag stockte oder schlug schneller, sie wusste es nicht, aber sie blieb eine Zeugin des Vorgangs, mit dem sie nicht zurechtkam.
Zuerst hatte Urania einen normalen Körper besessen, danach war sie zu einem Skelett geworden. Und jetzt?
Janine hielt den Atem an. Das Skelett war nicht mehr vorhanden. Jeder Knochen fing an, sich aufzulösen. Die feste Masse glitt auseinander, und so entstand eine durchscheinende Gestalt, die nur aus flirrendem Licht oder Energie bestand. Sehr kaltes Licht. Es blendete auch nicht. Es war einfach nur da. Und es veränderte sich.
Es zog sich in die Länge. Innerhalb kürzester Zeit hatte es sich in einen hellen und im Innern zittrig leuchtenden Schweif verwandelt, der eher in das Weltall gepasst hätte als auf die Erde. Ein Schweif, der sich an Filmore klammerte und dafür sorgte, dass auch dieser sich auflöste.
Erst glitt das Licht um seinen Körper herum, dann verdichtete es sich, und es schaffte sogar, durch jede Pore einzudringen. Es glitt hinein. Es nahm den Körper in seinen Besitz. Es leuchtet ihn aus.
Benny fing an zu lachen. Das Kichern klang hohl und auch irgendwie irre. Darauf achtete Janine nicht. Sie war gezwungen, hinzuschauen und mit anzusehen, was weiterhin passierte.
Zwei Menschen hatten sich in Licht verwandelt. In einen breiten und leicht gebogenen Strahl. Er schwebte gekrümmt durch das Zimmer. In seinem Innern wirbelten die Reflexe, doch das war nicht alles. Janine und Benny schauten zu, wie sich innerhalb des Strahls etwas abmalte.
Sie sahen plötzlich Umrisse. Zuerst nur sehr schwach, wenig später nahmen sie Konturen an, und so konnten sich daraus Gesichter bilden.
Gesichter von Menschen! Männergesichter.
»Daddy!« Der Ruf des Jungen riss auch Janine aus der Erstarrung.
Dieses Wort hatte sich wie ein Schwertstich in ihrem Bewußtsein ausgebreitet und zerrte sie zurück in die Gegenwart. Jetzt war sie in der Lage, genau hinzuschauen.
Es war Ross, ihr Mann, den sie innerhalb dieses kometenhaften Lichtstreifens sah. Unwahrscheinlich, auch unmöglich, aber es stimmte.
Sie irrte sich nicht.
Sein Gesicht wirkte zwischen den anderen wie ein Aquarell. Jedes sah anders aus, doch alle glichen sich auf eine bestimmte Art und Weise. Es waren die Gesichter der Opfer, die in Uranias Falle gegangen waren.
Jetzt nur noch Fratzen, da sie so in die Länge gezogen wurden. Offene Münder, weit geöffnete Augen, das alles war deutlich zu erkennen.
Ebenso wie das neue Gesicht, das sich immer weiter in das Licht hineinschob und von ihm geschluckt wurde. Amos Filmore!
Sein Kopf war leicht gedreht. Den
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