Die Alptraum-Frau
kenne sie einfach noch zuwenig. Ich habe nur von ihr gehört. Ich habe sie nie direkt erlebt und hatte niemals einen intensiven Kontakt zu ihr. Wir waren uns manchmal nah, aber immer fremd. Es passierte auch während meiner langen Reise durch die Zeiten, als ich den Trank des Vergessens zu mir genommen habe. Da spürte ich sie. Da merkte ich ihre böse Ausstrahlung. Zu einem Kontakt zwischen uns beiden ist es allerdings nie gekommen.«
Ich stellte Kara eine rein hypothetische Frage. »Hättest du denn einen Kampf gegen sie gewonnen?«
»Das weiß ich nicht, John.«
Suko fragte weiter. »Und wie beurteilst du unsere Chancen, wenn du ehrlich bist?«
Kara senkte ihren Blick. Das war im Prinzip schon Antwort genug.
»Haben wir welche?«
»Ich kann es euch nicht sagen. Ich glaube nur, dass sie euch als nächste Opfer ausgesucht hat. Sie wird euch nicht in Ruhe lassen. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob ihr suizidgefährdet seid oder nicht. Sie muss euch aus dem Weg schaffen.«
Ich schaute unwillkürlich zum Fenster, hinter dessen Scheibe sich natürlich nichts zeigte. »Dann brauchen wir also nur hier zu warten. Kommen wird sie auf jeden Fall.«
»Das könnte sein. Aber findet ihr den Platz hier optimal?«
»Nein«, sagten Suko und ich wie aus einem Mund.
»Das ist gut.« Plötzlich konnte sie wieder lächeln, im Gegensatz zu uns. »Ich dachte mir, dass wir sie an einen Ort locken, an dem wir auch stark sind. Oder zumindest stärker sind. So etwas ist durchaus möglich, denke ich. Egal, wo ihr seid, sie wird immer hinter euch her sein. Da kann es nur von Vorteil sein, dass wir uns den Ort aussuchen.«
»Dann weißt du schon, wo das sein wird?« fragte ich.
»Ja. Bei mir. Bei uns. Bei den Flammenden Steinen.«
Aha, deshalb also war sie gekommen. Ich hätte es mir denken können, denn Kara erschien nie, ohne einen kleinen Trumpf in der Hinterhand zu haben.
»Nun, wie gefällt euch der Vorschlag?«
Suko lachte. »Können wir denn ablehnen?«
»Sicher. Nur wäre es nicht gut.«
Der Meinung war ich auch und fragte deshalb: »Wann sollen wir die Reise antreten?«
»Sofort. Und es ist auch nicht nötig, dass ihr euch abmeldet.« Damit spielte sie auf unseren Chef, Sir James Powell, an. Sie erhob sich. »Wir können sofort abreisen.«
Es würde keine Reise werden, wie man sie normalerweise kannte.
Kein Zug, kein Auto, kein Flugzeug. Es war eine magische Reise, die bei den flaming stones endete. Die Prozedur kannten wir. Kara stemmte ihr Schwert mit der Spitze gegen den Boden. Es war so etwas wie ein Startzeichen. Von nun an sprach niemand von uns mehr ein Wort.
Suko und ich blieben vor ihr stehen. Beide Hände hatte Kara auf den Griff des Schwertes gelegt, und wir legten unsere Hände auf ihre Handrücken. Der Kontakt war somit geschaffen worden.
Kara konzentrierte sich. Sie und das Schwert mit der goldenen Klinge mussten eine Einheit bilden. Erst wenn das geschehen war und auch noch die Kraft der Flammenden Steine hinzukam, war die magische Brücke endgültig aufgebaut.
Wir schlossen die Augen. Jeder musste sich konzentrieren. Suko und Kara schafften dies bestimmt besser als ich, denn ich war einfach zu nervös.
Nicht mehr lange. Etwas drang in meinen Körper hinein wie ein sanfter Stromfluss. Das Kribbeln ließ keine Stelle aus. Von der Stirn bis hin zu den Zehen war es zu spüren. Ich merkte, wie ich allmählich leichter wurde. Der Kontakt mit dem Boden ging verloren. Ich hatte einen Schwebezustand erreicht, und den beiden anderen erging es nicht anders. Wir alle glitten dem Punkt entgegen, der für uns sehr wichtig war, und den wir überspringen mussten.
Noch einmal schaute ich auf den Fußboden. Er war nicht mehr da!
Und wir wenige Augenblicke später auch nicht. Zuletzt wurde der Strom warm, dann hatte ich das Gefühl, mich aufzulösen. Kein Körper mehr, nur noch Geist - und das unbestimmte Gefühl einer Angst…
Der feste Boden. Das Denken, das wieder normal funktionierte. Die andere Luft, die ich beim Einatmen spürte. Sie war so weich, so wunderbar warm, und ich wusste auch, dass sie sich niemals verändern würde, denn sie gehörte zum Gebiet der Flammenden Steine, in dem ewiger Frühling herrschte und es keine Jahreszeiten gab. Überhaupt war diese Gegend völlig anders als die normale Welt, obwohl sie innerhalb dieser normalen Welt lag. Die Steine, die auf einem Rasen standen, der wie ein grüner Teppich wirkte. Der kleine Bach mit dem ewig frischen Wasser. Die beiden Hütten, in denen
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