Die Alptraumritter
gegenüberliegenden Seite. Es war eindeutig, daß ihre Versammlung etwas mit dem Opferstein zu tun hatte.
»Reihen wir uns ein«, murmelte Arrufs Führer und zog ihn weiter, »in den Halbkreis derer, die Dämonen zu bezwingen vermögen.«
»Bei den Runen des Opfersteins«, erwiderte Arruf. »Das wollen wir so halten.«
»Beim Versprechen des Shaer!«
Arruf war, trotz der großartigen Kulisse, von der Halle, den Feuerschalen und den Schweigenden Rittern kaum zu beeindrucken. Er stellte fest, daß die Ritter einen entschlossenen Eindruck machten. Die Entschlossenheit zeigte sich nicht im Gesichtsausdruck – denn fast alle Alptraumritter hatten die Visiere der schweren Helme heruntergeklappt oder trugen Kopfbedeckung aus Metall, die ihre Gesichtszüge nicht erkennen ließen –, sondern in der Haltung ihrer Körper. Spannung und Erwartung lagen in der rußgeschwärzten Luft der großen steinernen Halle.
Arruf sagte sich, daß Spekulationen im gegenwärtigen Moment sinnlos waren. Abwarten und richtig reagieren war die Devise! Er folgte dem Ritter, der einen schwarzen Mantel über der Schulter trug, in den in Stickerei aus Silber die Silhouette eines rennenden Fuchses mit erhobener Rute gearbeitet war.
Schweigend reihten sich beide Ritter, der echte und der falsche, in den Halbkreis ein. Arruf versuchte, die Anwesenden zu zählen, aber als er bei dreißig angelangt war, griff Necron abermals nach seinen Augen.
Da er dies bewußt tat, hielt er selbst die Augen geschlossen.
Was sah Necron?
Er sah:
Durch zwei große, mandelförmige Ausschnitte in dem schwarzen Metall des Helmvisiers betrachtete sein Augen Duellant die Stufen, die Kreisausschnitte und den Opferblock. Noch war er leer, aber schon teilte sich zwischen zwei kantigen Säulengruppen ein schwerer Vorhang. Zwei hochgewachsene, schlanke Ritter in Schwarz und Silber führten zwei andere Personen herein. Arruf zuckte zusammen; es waren der Prinz der Düsterwelt, Odam, und seine zauberhaft schöne Gemahlin, Prinzessin Shezad. An den Körpern beider Personen waren keine Spuren von Goldenem Staub mehr zu sehen. Es schien, daß beide tief unter dem Eindruck eines Schocks standen, daß sie wußten, welchen gefahrvollen Weg sie eingeschlagen hatten. Beide waren voller Furcht und schwiegen. Ihre Gesichter waren weiß vor Anspannung. Sie kamen fast feierlich langsam durch den Halbkreis der Alptraumritter, schritten über die einzelnen Stufen hinunter und richteten ihre Augen starr auf den schwarzen Stein, der für Arruf so aussah, als wäre er aus einem Vulkan ausgespien worden.
Necron hatte genug gesehen; er löste den Griff.
Arruf holte tief Luft und spürte, daß sie irgendwie metallisch sauer roch. Er blieb starr stehen und ahnte, daß einer der vielen Alptraumritter in Wirklichkeit Necron war, der Steinmann, der verschlagene Alleshändler. Er hatte sich die Rüstung eines Ritters wohl ebenso angeeignet wie Arruf. Durch List und einen schnellen Überfall. Sei’s drum, dachte er abschätzig. Ich werde mich zu wehren wissen. Das, was vor meinen Augen hier geschehen wird – und vor Necrons Augen ebenso! –, ist viel wichtiger.
Als die beiden Ritter den schwarzen Opferstein erreichten, nahm der rechte von ihnen seinen Helm ab und schob den linken Arm durch das metallbeschlagene Kinnband. Er hielt den schweren Helm unter der linken Achsel eingeklemmt. Arruf starrte in das Gesicht, das sich im flackernden, zuckenden Licht deutlich zeigte.
Der Ritter war hünenhaft groß, mit breiten Schultern. Sein Haupthaar war braun, mit weißen und silbernen Strähnen nicht nur an den Schläfen durchzogen. Auch sein voller Bart war braun und reichlich silbern. Das Gesicht ließ erkennen, daß er ein verwegener Recke war, der keinen Kampf und keine Auseinandersetzung je gescheut hatte. Von seiner Gestalt ging eine deutliche Aura der kraftvollen Persönlichkeit aus, Kraft, Schnelligkeit und Gewandtheit nicht nur im Kampf schienen seine vorstechenden Eigenschaften zu sein. Etwas an seinen Bewegungen erinnerte Arruf undeutlich an jenen Gewappneten, der ihn mit Hilfe seiner Turnierlanze aus der Falle des Alleshändlers befreit hatte.
War es jener Shaer, den sie O’Ghallun nannten?
Er hatte, ebenso wie der Ritter, dessen Rüstung Arruf »geborgt« hatte, nichts von einem Süder. Er war ein kraftstrotzender Recke des Nordens. Als Prinz Odam und seine Braut unmittelbar vor der Breitseite des Opfersteins standen, erhob der mächtige Ritter seine volltönende, sonore
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