Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
schüttelte sie und antwortete mit etwas, was sich ungefähr wie »grmpf« anhörte, denn es lässt sich herzlich schlecht sprechen, wenn man sich dabei auf die Lippe beißt.
Der Polizist drückte zunächst sein Bedauern darüber aus, dass die ganze Firma ein Raub der Flammen geworden war, einschließlich Lager. Das war nun eine Versicherungsangelegenheit, wie Herrn Qvist sicherlich klar war. Es tat ihm natürlich auch leid, dass Fräulein Celestine durch diesen Vorfall arbeitslos geworden war.
Die Ermittlungen steckten immer noch im Frühstadium, daher konnte man zum Beispiel nichts über die Identität der Terroristen sagen. Erst hatte man angenommen, dass man sie in den verkohlten Resten des Gebäudes finden würde, doch bislang hatte man nur einen geheimen Tunnel entdeckt, durch den sie eventuell geflüchtet sein könnten. Das Ganze war unklar, da der Helikopter des Einsatzkommandos direkt auf den Tunnelausgang abgestürzt war.
Allerdings hatte eine Beamtin der Stadtverwaltung ausgesagt, dass man Bewohner in diesem Abbruchhaus vermutet habe. Was könne Herr Qvist dazu sagen?
Holger 2 zog eine bestürzte Miene – so hatte es die Gruppe nämlich abgesprochen. Die Holger & Holger AG hatte wie gesagt nur eine einzige Angestellte gehabt, die hier anwesende Celestine, die sich um Lagerhaltung, Verwaltung und anderes kümmerte, während Holger selbst in seiner freien Zeit die Auslieferung besorgte. Ansonsten arbeitete er, wie der Herr Polizist sicher bereits wusste, bei der Helikoptertaxi AG in Bromma, obwohl er die Stelle dort nach einem traurigen Vorfall aufgegeben hatte. Dass überhaupt jemand in dieser Bruchbude gewohnt haben könnte, hielt Holger für ausgeschlossen.
Da brach die junge Zornige plangemäß in Tränen aus.
»Aber Celestine, ich bitte dich«, sagte Holger. »Hast du uns etwa etwas zu sagen?«
Schluchzend stieß sie hervor, dass sie sich mit Mama und Papa gestritten hatte (was ja der Wahrheit entsprach) und deshalb eine Weile in einer der elenden Wohnungen gelebt hatte, ohne Holger um Erlaubnis zu fragen (was gewissermaßen ja auch der Wahrheit entsprach).
»Und jetzt … muss ich … ins Gefängnis«, schniefte sie.
Holger 2 tröstete das Mädchen und meinte, das sei freilich eine Dummheit gewesen, denn jetzt hatte er dem Herrn Polizisten ja direkt ins Gesicht gelogen, weil er es nicht besser wusste – aber von Gefängnis konnte sicher nicht die Rede sein, höchstens von einer hohen Geldstrafe. Oder was meinte der Herr Polizist dazu?
Der Mann räusperte sich und meinte, dass das vorübergehende Bewohnen eines Gebäudes in einem Gewerbegebiet sicher nicht gestattet sei, aber es habe furchtbar wenig, um nicht zu sagen gar nichts mit den laufenden Ermittlungen gegen die Terroristen zu tun. Kurz und gut, das Fräulein Celestine konnte ruhig aufhören zu weinen, von dieser Sache musste ja keiner etwas erfahren. Hier, bitte, ein Papiertaschentuch für das junge Fräulein.
Die junge Zornige schnäuzte sich noch einmal und dachte bei sich, dass dieser Bulle ja obendrein auch noch korrupt war. Verdammt, ein Verbrechen musste schließlich geahndet werden, oder? Aber das sagte sie nicht.
Holger 2 fügte hinzu, dass der Kissengroßhandel hiermit ein für alle Mal eingestellt war und dass von weiteren inoffiziellen Mietern sowieso nicht mehr die Rede sein konnte. Damit war die ganze Geschichte dann ja vielleicht aus der Welt?
Ja. Der Polizist hatte zu der Angelegenheit nichts mehr zu sagen. Er bedankte sich bei Herrn Qvist und dem jungen Fräulein Celestine, dass sie sich aufs Revier bemüht hatten.
Holger bedankte sich ebenfalls, und Celestine grmpfte noch einmal zum Abschied.
* * * *
Nach den Misshandlungen auf dem Sergels torg, einem fallschirmlosen Sprung aus sechshundert Meter Höhe, der Ermordung eines frisch Verstorbenen, ihrer Flucht vor der Polizei und dem Kunststück, die Detonation einer Atombombe abzuwenden, brauchten die neuen Gäste auf Sjölida erst mal ein wenig Ruhe. Dahingegen stand Agent B der Sinn nach dem genauen Gegenteil.
Er hatte Nombeko und ihr Gefolge vor ein paar Tagen mit der Bombe aus der Fredsgatan in Gnesta davonfahren lassen. Nicht weil er das so gewollt hatte, sondern weil er keine andere Wahl gehabt hatte. Ein israelischer Geheimagent, der sich in Schweden auf offener Straße um eine Atombombe prügelt, und das vor fünfzig Polizisten als Zeugen – nee, auf die Art diente man dem Vaterland nicht am besten.
Doch die Situation war alles andere als aussichtslos.
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