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Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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möglich verkauft werden müssen.«
    »Aha«, sagte der Verkäufer und fragte sich, was er bitte sehr mit dem Kartoffelacker der ollen Virtanen am Hut haben sollte, denn seine Maschinen kosteten ab achthunderttausend Kronen aufwärts.
    »Bin ich richtig informiert, dass Sie hier allerlei verschiedene Kartoffelmaschinen verkaufen?«, erkundigte sich Gertrud.
    Der Verkäufer hatte das Gefühl, dass dieses Gespräch unnötig lange dauern könnte, daher fiel er ihr rasch ins Wort.
    »Ja, ich habe Steinklauber, vier-, sechs- und achtreihige Kartoffelsetzer, vierreihige Kartoffelfräsen sowie ein- und zweireihige Kartoffelroder. Wenn die gnädige Frau von jedem ein Exemplar für ihren Kartoffelacker kauft, mache ich ihr gern einen Spezialpreis.«
    »Einen Spezialpreis? Also, das ist ja schick. Was schwebte Ihnen denn da so vor?«
    »Vier Komma neun Millionen«, sagte der Verkäufer giftig.
    Gertrud rechnete mit den Fingern nach, während der Mann langsam die Geduld verlor.
    »Hören Sie, Frau Virtanen, ehrlich gesagt habe ich wirklich keine Zeit, mich …«
    »Dann nehme ich von jeder Maschine zwei«, sagte Gertrud. »Wie sieht es denn mit Ihren Lieferzeiten aus?«
    * * * *
    In den nächsten sechs Jahren geschah einerseits sehr viel, andererseits aber auch sehr wenig. In der Welt da draußen schloss sich Pakistan der exklusiven Gruppe der Atommächte an, weil man sich gegen das Nachbarland Indien schützen musste, das sich vierundzwanzig Jahre zuvor mit derselben Maßnahme gegen Pakistan hatte schützen wollen. Das Verhältnis der beiden Länder war entsprechend.
    Da ging es bei der Atommacht Schweden schon ruhiger zu.
    Nummer eins und Celestine waren es zufrieden, unzufrieden zu sein. Jede Woche brachten sie den vollen Einsatz für die gerechte Sache. Keine Demonstrationen, aber umso mehr Aktionen im Verborgenen. Sie sprayten anarchistische Parolen auf so viele öffentliche Toilettentüren, wie sie nur finden konnten, und verteilten heimlich Flugblätter in Behörden und Museen. Die politische Kernbotschaft lautete, dass die ganze Politik doch Scheiße war, aber Holger sorgte dafür, dass auch der König regelmäßig sein Fett abbekam.
    Parallel zu ihrer politischen Anti-Tätigkeit erfüllten Holger und Celestine auch ihre Aufgaben auf den Kartoffeläckern zur Zufriedenheit. So konnten sie auch einen begrenzten Lohn einstreichen, und Geld brauchten sie schließlich. Filzstifte, Spraydosen und Flugblätter gab es ja nicht gratis.
    Nombeko versuchte, die beiden Bekloppten im Auge zu behalten, ohne Nummer zwei unnötig in Sorge zu versetzen. Der war bereits ohne ihre Hilfe ein tüchtiger, fleißiger Student. Und wenn Holger zufrieden war, war sie es auch.
    Es war interessant zu beobachten, wie Gertrud richtig aufblühte, nachdem ihr Leben ja im Großen und Ganzen eher verkorkst gelaufen war. Immerhin war sie mit achtzehn schwanger geworden, von ihrer ersten und letzten Begegnung mit einem Schwein und seiner lauwarmen, mit Alkohol gespritzten Loranga-Orangeade. Sie war alleinerziehende Mutter und bald darauf noch mehr allein, nachdem erst ihre Mutter an Krebs gestorben war und dann auch noch Tapio eines Winterabends 1971 mit den Fingern im ersten Bankomat von Norrtälje hängen blieb und erst tags darauf gefunden wurde, als er längst erfroren war.
    Mutter und Großmutter Kartoffelbäuerinnen. Die überhaupt nichts von der Welt zu sehen bekommen hatten. Sich aber immer ihre Träume bewahrt hatten, wie es auch anders hätte kommen können, wenn nur ihre eigene Großmutter, die edle Anastasia Arapowa, nicht so unchristlich gewesen wäre, Papa Tapio ins Waisenhaus zu stecken, damit sie selbst ihr Leben Gott weihen konnte.
    Oder wie auch immer sich das nun zugetragen hatte. Nombeko merkte, dass Gertrud sich hütete, der Geschichte ihres Vaters ganz auf den Grund zu gehen. Das Risiko war einfach zu groß, dass sonst am Ende nichts übrig blieb. Außer den Kartoffeläckern.
    Die Rückkehr ihrer Enkelin und die Anwesenheit von Nombeko hatte auf jeden Fall etwas in der alten Dame wieder zum Leben erweckt. Wenn sie gemeinsam beim Abendbrottisch saßen, strahlte es förmlich um sie herum. Meistens kümmerte sie sich selbst ums Essen, indem sie einem Huhn den Hals umdrehte und einen Eintopf machte. Oder sie legte Netze aus, um Hecht aus dem Ofen mit Meerrettichsauce zu machen. Einmal schoss sie im Garten sogar einen Fasan mit Papa Tapios Elchgewehr, wobei sie sich wunderte, dass das Ding überhaupt noch funktionierte. Und dass sie traf.

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