Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
Atombombe wieder über die Straßen ratterte. Am Steuer saß der Ministerpräsident, der Einzige der Truppe, der sowohl einen Führerschein hatte als auch nüchtern genug zum Fahren war. Rechts außen saß Nombeko und in der Mitte Holger 2 mit dem Arm im Dreieckstuch.
Hinten im Laderaum waren der König und die Gräfin Virtanen immer noch ins Gespräch vertieft. Der König hatte eine ganze Reihe von Tipps, was ihr zukünftiges Heim anging. Das klassizistische Schloss Pöckstein in der Nähe des österreichischen Straßburg stand zum Verkauf und könnte der Gräfin durchaus würdig sein. Nur leider lag es zu weit von Drottningholm entfernt, als dass man sich auf einen kurzen Nachmittagstee hätte treffen können. Da wäre Schloss Södertuna schon besser, das lag tatsächlich gar nicht so weit von Gnesta. Was ganz Altehrwürdiges. Aber vielleicht ein wenig zu schlicht für die Gräfin?
Das konnte die Gräfin nicht mit Sicherheit sagen, sie mussten wohl alle verfügbaren Behausungen besichtigen und dann feststellen, was zu schlicht war und was nicht.
Der König fragte, ob die Königin und er zu einer der geplanten Besichtigungen mitkommen dürften. Gerade die Königin konnte ihr sicher mit Rat und Tat zur Seite stehen beim Anlegen eines Schlossgartens, der diesen Namen verdiente.
Ja, natürlich, wenn sie wollten. Es wäre sicher schön, die Königin mal in einer anderen Umgebung zu treffen als auf dem Plumpsklo, wenn man gerade seine Notdurft verrichtete.
Um halb acht Uhr morgens ließ man als Erstes den König vor Schloss Drottningholm aussteigen. Er klingelte und musste eine ganze Weile argumentieren, dass er derjenige war, der er zu sein behauptete, bis ihn ein beschämter Wächter endlich einließ. Als der König an ihm vorbeiging, sah der Mann die dunkelroten Flecken auf seinem Frackhemd.
»Ist Seine Majestät verletzt?«, fragte der Wächter seinen König.
»Nein, das ist Hühnerblut«, sagte der König. »Und ein bisschen Motoröl.«
Nächster Halt war das Grand Hôtel. Aber jetzt wurde es schon langsam schwieriger mit der Logistik. Holger 2 hatte Fieber wegen der Schusswunde, die sein Bruder ihm versehentlich beigebracht hatte. Nummer zwei musste also ins Bett gesteckt werden und Schmerztabletten bekommen, da die Flasche mit der Mannerheimmischung inzwischen leer war.
»Du bildest dir also ein, dass ich in einem Hotel einchecke und mich von diesem Trottel versorgen lasse, der mich vor Kurzem fast erschossen hätte?«, sagte Holger 2. »Da lege ich mich doch lieber auf eine Parkbank und verblute.«
Doch Nombeko redete mit Engelszungen auf ihn ein, versprach, dass er seinen Bruder auch gern erwürgen dürfe oder ihm zumindest die Nase umdrehen (wenn sie ihm da nicht zuvorkam), aber das könne er eben alles erst, wenn sein Arm wieder heil war. Sich aber ausgerechnet an dem Tag hinzulegen und zu verbluten, an dem sie die Bombe endlich loswerden sollten, das wäre doch wohl die ärgste Ironie des Schicksals, oder nicht?
Holger 2 war zu müde, um ihr zu widersprechen.
Um zwanzig vor neun lag Nummer zwei im Bett und hatte zwei Brausetabletten gegen Fieber und Schmerzen bekommen. Er leerte das Glas in einem Zug und war nach fünfzehn Sekunden eingeschlafen. Holger 1 legte sich aufs Sofa im Salon, um dasselbe zu tun, während die Gräfin Virtanen sich daran machte, die Minibar im Schlafzimmer der Suite zu erforschen.
»Geht ihr nur, ich komm schon allein zurecht.«
Der Ministerpräsident, Nombeko und Celestine standen vor dem Hoteleingang, um die einzelnen Schritte, die in den nächsten Stunden unternommen werden mussten, bis ins Detail abzusprechen.
Reinfeldt wollte sich zu seinem Treffen mit Hu Jintao begeben. Nombeko und Celestine sollten unterdessen so vorsichtig wie möglich mit der Bombe durch Stockholm fahren.
Celestine musste ans Steuer, da kein anderer Fahrer verfügbar war. Holger 2 war ja angeschossen und ins Bett gepackt worden, und der Ministerpräsident selbst konnte nicht weiter mit der Todeswaffe herumkurven, während er sich mit dem chinesischen Präsidenten traf.
Übrig blieb also nur die unberechenbare, ehemals junge, aber wahrscheinlich immer noch nicht weniger Zornige. Zwar unter Nombekos Aufsicht, aber trotzdem.
Während das Trio noch am Hoteleingang stand, rief die Assistentin des Ministerpräsidenten an, um ihm mitzuteilen, dass in der Regierungskanzlei schon ein Anzug und neue Schuhe auf ihn warteten. Leider habe sich aber auch der Stab des chinesischen Präsidenten mit einem
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