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Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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reihenweise.«
    Der Dolmetscher verstummte vor Schreck bei dem Gedanken, dass der Skorpion, an dessen Biss er sterben würde, auch eine Kobra hätte sein können, an deren Biss er unter Garantie gestorben wäre. In der Zwischenzeit besorgte der Guide ein Auto mit Chauffeur, das den Mann ins Krankenhaus bringen sollte.
    Der vom Skorpion Gestochene wurde auf den Rücksitz eines Landrover verfrachtet und fing wieder damit an, seine Vorahnungen, die eigene Gesundheit betreffend, kundzutun. Der Chauffeur verdrehte nur die Augen und verschwand.
    Da standen der Ingenieur und der Chinese nun und sahen sich an.
    »Wie soll das denn jetzt gehen?«, murmelte der Ingenieur auf Afrikaans.
    »Wie soll das denn jetzt gehen?«, murmelte der Chinese in seinem Wu-chinesischen Dialekt.
    »Ist der Herr Chinese etwa aus Jiangsu?«, erkundigte sich Nombeko in ebendiesem Dialekt. »Vielleicht sogar aus Jiangyan?«
    Der Chinese, der in Jiangyan in der Provinz Jiangsu aufgewachsen war, traute seinen Ohren nicht.
    Unfassbar, wie diese verdammte Wiehießsienochgleich Ingenieur van der Westhuizen pausenlos ärgerte. Nun stand sie doch tatsächlich hier und unterhielt sich in einer völlig unmöglichen Sprache mit dem chinesischen Gast, und der Ingenieur hatte überhaupt keine Kontrolle darüber, was da gesagt wurde.
    »Entschuldigung, aber was geht hier eigentlich vor?«, fragte er.
    Nombeko erklärte, zufälligerweise sprächen der Gast und sie dieselbe Sprache, und deswegen sei es gar nicht weiter schlimm, dass der Dolmetscher mit einem blauen Zeh im Krankenhaus lag und sich selbst bedauerte, statt seine Arbeit zu tun. Natürlich nur, wenn der Herr Ingenieur nichts dagegen hatte, dass sie diesen Job übernahm. Oder zog er es vielleicht vor, dass sie sich einen Tag und einen Abend lang anschwiegen?
    Nein, das zog der Herr Ingenieur nicht vor. Aber er wolle Wiehießsienochgleich doch bitten, sich aufs Dolmetschen zu beschränken. Small Talk mit dem Chinesen wäre höchst unangebracht.
    Nombeko versprach, so wenig Small Talk wie möglich zu treiben. Sie hoffte nur, dass der Ingenieur Verständnis hatte, wenn sie dem Herrn Chinesen antwortete, sobald er sie ansprach? Der Ingenieur selbst predigte ihr ja immer, dass sie es so halten solle. Außerdem könne man doch auch sagen, dass sich die Dinge optimal entwickelt hatten:
    »Jetzt kann der Herr Ingenieur über moderne Waffentechnologie und andere Dinge, von denen er nicht besonders viel versteht, sagen, was er will. Sollte er die falschen Worte wählen – und das können wir ja nicht völlig ausschließen, gell? – na, dann korrigiere ich das einfach beim Dolmetschen.«
    In der Sache hatte Wiehießsienochgleich recht. Und da sie im Grunde tief unter ihm stand, brauchte er auch nicht missmutig zu werden. Leben heißt Überleben, dachte der Ingenieur. Er spürte, dass der Zufall seine Chancen wesentlich verbessert hatte, das Abendessen mit dem Chinesen und dem Präsidenten zu überstehen.
    »Wenn du das hier hinkriegst, dann werde ich zusehen, ob ich dir nicht doch mal eine neue Scheuerbürste besorgen kann«, sagte er.
    Die Safari wurde ein voller Erfolg: Die Teilnehmer bekamen »die Großen Fünf« aus nächster Nähe zu sehen. Dazwischen war Zeit für Kaffeepausen und Small Talk. Nombeko erzählte dem Chinesen, dass Präsident Botha in fünf Stunden zufällig vorbeikommen würde. Der Chinese bedankte sich für diese Information und versprach, so überrascht wie möglich auszusehen. Nombeko sagte nicht, dass sie alle wohl genauso überrascht sein würden, wenn die Dolmetscherin mitten unterm Abendessen in der Safarilodge plötzlich verschwand. Da konnten sie dann hübsch beisammensitzen und einander dumm anglotzen.
    Nombeko stieg aus dem Landrover, um den Ingenieur ins Restaurant zu begleiten. Sie war total auf ihre baldige Flucht konzentriert. Konnte sie wohl durch die Küche und von dort durch die Hintertür fliehen? Irgendwann zwischen Hauptgericht und Dessert?
    Sie wurde aus ihren Überlegungen gerissen, als der Ingenieur stehen blieb und auf sie zeigte.
    »Was ist das da?«, fragte er.
    »Das da?«, wiederholte Nombeko. »Das bin ich. Wie heiß ich noch gleich.«
    »Nein, du dumme Nuss. Was du da anhast, meine ich.«
    »Eine Jacke.«
    »Und warum hast du die an?«
    »Weil es meine ist. Hat der Herr Ingenieur heute ein bisschen zu viel am Kognak genippt, wenn ich fragen darf?«
    Der Ingenieur schaffte es nicht mehr, seine Putzfrau für ihren Ton zurechtzuweisen.
    »Worauf ich hinauswill –

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