Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
rollte der Wagen mit der Ausgangspost des Tages durch dieselben Tore. Mit einer Verspätung von elf Minuten, weil man aufgrund einer Sperrgutsendung das Fahrzeug hatte wechseln müssen.
Um 15.15 Uhr stellte der Leiter der Ermittlungen im Fall van der Westhuizen fest, dass der Mann ermordet worden war. Drei voneinander unabhängige Zeugen gaben ganz ähnliche Aussagen ab. Und zwei von ihnen waren Weiße.
Diese Aussagen wurden auch von den Beobachtungen bestätigt, die der Chefermittler vor Ort gemacht hatte. Auf dem zerquetschten Gesicht des Ingenieurs fanden sich an drei Stellen Spuren von Gummi. Er musste von mindestens drei Reifen überfahren worden sein, einem mehr, als jedes normal gebaute Auto pro Seite hat. Folglich war der Ingenieur entweder von mehr als einem Auto überfahren worden oder – wie die Zeugen übereinstimmend behaupteten – mehrmals von ein und demselben.
Es dauerte weitere fünfzehn Minuten, doch um 15.30 Uhr wurde das Niveau der Sicherheitsstufe in der Forschungsanlage heraufgesetzt. Der schwarzen Putzfrau in der äußeren Wache sollte sofort gekündigt werden, ebenso der schwarzen Putzfrau im zentralen G-Flügel und den drei Asiatinnen in der Küche. Bevor sie eventuell freigelassen wurden, sollten alle fünf einer Risikoanalyse durch die Sicherheitspolizei unterzogen werden. Sämtliche ein- und ausfahrenden Fahrzeuge waren zu kontrollieren, und wenn der Oberbefehlshaber der südafrikanischen Streitkräfte höchstpersönlich am Steuer saß!
* * * *
Am Flugplatz fragte Nombeko sich durch, folgte dem Menschenstrom und hatte die Sicherheitskontrolle passiert, bevor sie überhaupt gemerkt hatte, dass es eine gab. Im Nachhinein war ihr natürlich klar, dass Diamanten in einem Jackenfutter den Metalldetektor nicht ausschlagen lassen.
Da die Mossadagenten gezwungen waren, das Ticket so kurzfristig zu besorgen, waren nur noch die teuersten Plätze frei gewesen. Entsprechend fiel auch ihr Platz aus. Das Personal brauchte eine ganze Weile, bis es Nombeko klargemacht hatte, dass das angebotene Glas Champagne de Pompadour Extra Brut im Ticketpreis inbegriffen war. Ebenso das folgende Essen. Sie wurde auch freundlich, aber bestimmt wieder an ihren Platz zurückgebracht, als sie versuchen wollte, den Stewardessen beim Abräumen zu helfen.
Doch bis zum Dessert hatte sie es endgültig kapiert. Es gab mit Mandeln gratinierte Himbeeren, die sie mit einer Tasse Kaffee hinunterspülte.
»Darf ich Ihnen einen Kognak zum Kaffee anbieten?«, fragte die Stewardess freundlich.
»Ja, bitte«, sagte Nombeko. »Haben Sie Klipdrift?«
Kurz darauf schlummerte sie ein und schlief sanft und gut – und lange.
Als sie am Flugplatz Stockholm–Arlanda angekommen war, folgte sie den Anweisungen der so elegant ausgetricksten Mossadagenten. Sie ging zum erstbesten Grenzpolizisten und bat um politisches Asyl. Als Grund gab sie ihre Mitgliedschaft in der verbotenen Organisation ANC an, was sich besser anhörte, als dass sie dem Geheimdienst einer anderen Nation gerade geholfen hatte, eine südafrikanische Atomwaffe zu stehlen.
Die erste Befragung durch die schwedische Grenzpolizei wurde in einem hellen Zimmer vorgenommen, dessen Fenster zur Start- und Landebahn hinausging. Dort draußen tat sich gerade etwas, was Nombeko noch nie zuvor erlebt hatte. Es schneite. Der erste Schnee des Winters, mitten im südafrikanischen Frühsommer.
8. KAPITEL
Von einem Match, das unentschieden ausging, und einem Unternehmer, der sein Leben nicht leben durfte
Ingmar und Holger 1 waren sich einig, dass man Mamas Andenken am besten ehrte, indem man den Kampf weiterführte. Nummer zwei war ganz sicher, dass sich Papa und Brüderchen da irrten, begnügte sich aber mit der Frage, wer ihrer Meinung nach denn nun das Geld verdienen sollte?
Ingmar runzelte die Stirn und gab zu, dass er dieses Detail nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit bedacht hatte, bei all den anderen Dingen, die er in letzter Zeit zu bedenken hatte. In Henriettas Zuckerdose steckten immer noch ein paar Hunderter, aber die würden bald genauso verschwunden sein wie Henrietta selbst.
In Ermangelung anderer Ideen beschloss der ehemalige Postbeamte, sich erneut um seinen Job als Assistent des Oberbuchhalters zu bewerben, der nur noch zwei Jahre bis zur Pensionierung warten musste. Und der ihm ins Gesicht sagte, dass er unter gar keinen Umständen vorhatte, sich diese zwei Jahre von Herrn Qvist verderben zu lassen.
Der wütende Kommunist, der seine Enkel nie kennenlernte
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