Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
was es wurde, Hauptsache, das Kind durfte ohne Gehirnwäsche aufwachsen.
»Ein Mädchen, das über den König denken kann, wie es will?«, fasste Nombeko zusammen und kuschelte sich zwischen den Kissen auf der Kiste näher an ihren Holger.
»Mit einem Vater, der nicht existiert, und einer Mutter, die auf der Flucht ist. Ein toller Start ins Leben«, meinte Holger.
Nombeko kuschelte sich noch näher an ihn.
»Noch mal?«, fragte Holger. »Gerne.«
Aber auf der Kiste? Ihm war ein bisschen unwohl dabei, bis Nombeko ihm versicherte, dass die Bombe nicht explodieren würde, egal, wie oft er selbst es tat.
* * * *
Die Kochkünste der Chinesenmädchen waren wirklich außerordentlich. Doch der Esstisch im Wohnzimmer in der Wohnung im dritten Stock war selten komplett besetzt. Holger 1 arbeitete in Bromma. Celestine war oft unterwegs, Kissen ausliefern. Der amerikanische Töpfer hielt sich an seinen Konservenvorrat, um keine unnötigen Risiken einzugehen (worin diese Risiken bestanden, wusste nur er allein). Gelegentlich konnte es vorkommen, dass Nummer zwei und Nombeko in ein Lokal im Zentrum von Gnesta gingen, um es ein bisschen romantisch zu haben.
Wenn es den Ausdruck »für die Katz« auf Wu-Chinesisch gäbe, hätte er ungefähr beschrieben, was die Mädchen ab und zu empfanden. Und bezahlt wurde ihnen die Arbeit auch nicht. So kamen sie ihrem Onkel in der Schweiz kein Stück näher.
In ihrer Ahnungslosigkeit beschlossen die Mädchen, ein richtiges Restaurant aufzumachen. Dass das einzige Chinarestaurant in Gnesta von einem Schweden betrieben wurde, der zwei Thailänderinnen in der Küche beschäftigte, um die Glaubwürdigkeit seines Lokals zu erhöhen, bestärkte sie in ihrem Entschluss. Thailänderinnen chinesisches Essen kochen zu lassen, sollte gesetzlich verboten werden, fanden die Mädchen und setzten eine Annonce ins Anzeigenblättchen von Gnesta, in der sie kundtaten, dass das Restaurant Klein Peking in der Fredsgatan hiermit seine Pforten geöffnet habe.
»Schau mal, was wir gemacht haben«, verkündeten sie ganz stolz und hielten Holger 2 die Annonce unter die Nase.
Nachdem Nummer zwei sich von seinem Schock erholt hatte, erklärte er ihnen, dass sie mit diesem Restaurant eine ungenehmigte Tätigkeit aufnehmen würden, und das in einer Abbruchbude, in der sie gar nicht wohnen durften, und in einem Land, in dem sie sich gar nicht aufhalten durften. Obendrein waren sie auf dem besten Wege, gegen mindestens acht der strengsten Verordnungen des Gewerbeaufsichtsamtes zu verstoßen.
Die Mädchen sahen ihn ganz komisch an. Wieso sollten die Behörden denn Einwände dagegen erheben, wo und wie man sein Essen kochte und wem man es verkaufte?
»Willkommen in Schweden«, sagte Nummer zwei, der das Land, das ihn nicht kannte, selbst nur zu gut kannte.
Gott sei Dank war die Anzeige ganz klein gewesen und außerdem auf Englisch verfasst. Der einzige Mensch, der im Laufe des Abends auftauchte, war die Leiterin des örtlichen Gewerbeaufsichtsamtes, die nicht essen, sondern das offenbar gerade eröffnete Restaurant wieder schließen wollte. Sie wurde jedoch schon am Eingang von Holger 2 abgefangen, der sie mit der Erklärung beruhigte, es habe sich bei der Anzeige nur um einen Schulbubenstreich gehandelt. Natürlich wurde in diesem Abbruchhaus kein Essen verkauft, und selbstverständlich wohnte hier auch niemand. Hier wurden einfach nur Kopfkissen gelagert und ausgeliefert, sonst nichts.
Die Leiterin des Gewerbeaufsichtsamtes wolle nicht zufällig zweihundert Kissen kaufen? Das klang vielleicht nach viel für so ein Gewerbeaufsichtsamt, aber Holger achte streng darauf, dass die Mindestabnahme eingehalten wurde, und eine geringere Anzahl komme leider nicht in Frage.
Nein, die Beamtin der Stadtverwaltung wollte keine Kissen. Im Gewerbeaufsichtsamt von Gnesta erachte man es als Ehrensache, während der Arbeitszeit wach zu bleiben, und auch kurz danach noch, wie man sah. Doch sie schluckte die Schulbubenstreich-Erklärung von Nummer zwei und machte sich auf den Heimweg.
Damit war die akute Gefahr abgewendet. Doch Holger 2 und Nombeko sahen ein, dass sie etwas für die Chinesenmädchen tun mussten, die darauf brannten, endlich mal wieder einen Schritt voranzukommen in ihrem Leben.
»Wir haben inzwischen doch Erfahrung mit Ablenkungsmanövern«, sagte Nummer zwei und spielte damit sowohl auf den Helikopterjob von Nummer eins an als auch auf Celestines Freude, einen Lastwagen mit falschem Kennzeichen fahren zu
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