Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
von ihrer Mutter gelernt hatte, welche sie wiederum von ihrem Bruder gelernt hatte, dem Meister aller Meister: Cheng T ā o.
Das hielten alle für einen guten Kompromiss. Der erste Verkauf lief auch ganz großartig. Schon im ersten Monat hatten die Mädchen und der Töpfer Käufer für neunzehn Stücke gefunden. Achtzehn davon wechselten auf dem Markt in Kivik den Besitzer, das neunzehnte bei Bukowskis.
Doch es war nicht ganz unkompliziert, die Stücke dem traditionsreichen Auktionshaus in Stockholm anzubieten, jedenfalls nicht, wenn man nicht eingesperrt werden wollte, und das hatten Nombeko und die Mädchen ja schon mal ausprobieren dürfen. Deswegen suchten sie sich über den Chinesischen Verein in Stockholm einen alten Herrn, einen pensionierten Gärtner, der nach dreißig Jahren in Schweden kurz vor seiner Rückkehr in die Heimat nach Shenzhen stand. Er erhielt zehn Prozent Provision vom Erlös dafür, dass er seinen Namen für die Verkaufspapiere zur Verfügung stellte. Obwohl das Echtheitszertifikat von Großer Schwester wirklich gut war, bestand doch immer das Risiko, dass nach ein, zwei Jahren die Wahrheit ans Licht kam. Aber wenn das geschah, würde der lange Arm des Gesetzes wohl kaum bis nach Shenzhen reichen. Außerdem wohnten dort elf Millionen Menschen – ein Traumwohnort für jeden Chinesen, der sich mit gutem Grund nicht von der schwedischen Polizei finden lassen wollte.
Nombeko besorgte die Buchführung. Außerdem saß sie bei diesem inoffiziellen Unternehmen in der noch inoffizielleren Unternehmensführung.
»Zusammengerechnet haben wir im ersten Rechenschaftsmonat siebenhundertundzwei Kronen aus dem Marktverkauf eingenommen und zweihundertdreiundsiebzigtausend minus Kommission durch Auktion«, sagte sie. »Die Kosten belaufen sich auf keine sechshundertfünfzig Kronen für die Hin- und Rückreise zum Markt von Kivik.«
Der finanzielle Beitrag des Töpfers in diesem ersten Monat betrug also zweiundfünfzig Kronen netto. Sogar ihm war klar, dass der eine Verkaufsweg sich eher rechnete als der andere. Andererseits konnte man Bukowskis auch nicht allzu oft in Anspruch nehmen. Wenn sofort eine neue Han-Dynastie-Gans auftauchte, sobald die vorherige unter den Hammer gekommen war, würde das Auktionshaus schnell misstrauisch werden, ungeachtet der Qualität des Echtheitszertifikats. Eine im Jahr musste also reichen. Und das auch nur, wenn sie einen neuen Strohmann fanden, der kurz vor der Heimkehr nach China stand.
Die Chinesenmädchen und der Amerikaner kauften sich vom Gewinn des ersten Monats einen gebrauchten VW -Bus und korrigierten den Preis für den Marktverkauf nach oben, auf neunundneunzig Kronen. Zu mehr wollte sich der Amerikaner dann aber wirklich nicht mehr überreden lassen. Doch er brachte auch seine napalmgelbe Saigon-Kollektion in die gemeinsame Firma ein, und unterm Strich nahmen die Mädchen und der Töpfer rund zehntausend Kronen im Monat ein, während sie darauf warteten, dass Bukowskis wieder bereit war. Das reichte locker für alle Beteiligten. Man wohnte ja billig.
13. KAPITEL
Von einem herzlichen Wiedersehen und von dem Mann, der seinem Namen letztlich alle Ehre machte
Es war noch eine Weile hin, bis einer der Mieter der Fredsgatan 5 sterben sollte.
Holger 1 fühlte sich bei der Helikoptertaxi AG sehr wohl. Er nahm Telefongespräche entgegen und kochte Kaffee, und das machte er alles ganz prima. Nebenbei bekam er ab und zu einen Übungsflug in einem der drei Hubschrauber, und jedes Mal bildete er sich ein, dass er auf diese Weise der Entführung des Königs wieder einen Schritt näher gekommen war.
Seine zornige junge Freundin fuhr unterdessen in einem Lastwagen mit falschem Kennzeichen durch ganz Schweden und hielt sich ihrerseits mit der Hoffnung bei Laune, dass sie eines Tages schon noch in eine Routinekontrolle geraten würde.
Die drei Chinesenmädchen und der Amerikaner fuhren von Markt zu Markt und verkauften Antiquitäten für neunundneunzig Kronen das Stück. Zu Anfang war Nombeko noch dabei, um das Ganze zu überwachen, aber als sich herausstellte, dass alles wie am Schnürchen lief, blieb sie immer öfter zu Hause. Als Ergänzung zu den Marktverkäufen landete ungefähr einmal im Jahr eine neue Han-Dynastie-Gans bei Bukowskis, die jedes Mal wegging wie nichts.
Der Plan der Chinesenmädchen sah so aus, dass sie den VW -Bus mit Töpferwaren füllen und dann zu ihrem Onkel in die Schweiz fahren wollten, sobald sie ein wenig Geld beiseitegelegt hatten. Oder
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