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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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denn überhaupt nicht für dich?«
    Sie hatte ihn nie zuvor so wütend gesehen. »Vikse kann sein Geständnis immer noch widerrufen.«
    Â»Dann sollten wir vielleicht weiterdiskutieren, wenn er das tatsächlich getan hat.«
    Â»Und die Sache mit Skarv ebenfalls auf sich beruhen lassen?«
    Â»Zumindest bis wir irgendwelche Beweise für einen Gesetzesverstoß in der Hand haben.«
    Sie lächelte bitter. Gesetzesverstoß. Stig redete schon wie ein Jurist. Es war die Sprache von Skarv, auch die von Jan. Eine Sprache, die sie nicht ausstehen konnte.
    Â»Beweise fliegen einem doch nicht wie gebratene Tauben in den Mund. Man muss hart arbeiten, um sie zu finden.«
    Stig entgegnete nichts, sondern zog sich so weit von ihr zurück, wie es das Auto zuließ.
    Â 
    Ein abgestandener Muff hatte sich in der kleinen Turnhalle ausgebreitet. Ein unüblicher Geruch für diesen Ort, an dem normalerweise die Handballmannschaft der Stadt ihre meist erfolglosen Spiele austrug. Der obligatorische Schweißgeruch war von dem schimmeligen Mief unzähliger Dachböden und Kellerabteile verdrängt worden. Trotzdem hatten die Standbesitzer erstaunliche Kostbarkeiten
zutage gefördert. Überall funkelten Kristallgläser und blitzte poliertes Silberbesteck. Die Besitzer, ganz gleich ob sie der Elge-Loge oder dem Liberalen Frauenverband angehörten, schienen sich gegenseitig ihre Großzügigkeit und nicht zuletzt ihren guten Geschmack beweisen zu wollen. Zu diesem Zweck war nicht nur ihre persönliche Habe auf Hochglanz gebracht worden. Nein, ganze Familien hatten sich herausgeputzt und in Schale geworfen, als handle es sich um einen Abschlussball oder die Generalprobe des bevorstehenden Stadtfests. Maja empfand bereits Platzangst, was weniger an den feilschenden Händlern und den kreischenden Kindern lag, die zwischen den Ständen herumliefen, als an dem akuten Sauerstoffmangel in der geschlossenen Halle. Sie zog ihre Jacke aus und spürte, wie die Bluse an ihrem verschwitzten Rücken klebte. Es würde ein langer Tag werden, und Maja hatte das Gefühl, dass die Prüfungen noch nicht einmal begonnen hatten.
    Wenige Minuten später hatten sie den Stand B-52 erreicht, der Stigs Mutter gehörte. Die Begrüßung durch ihre »Schwiegermutter« fiel höflich und kühl aus. Sie war eine schmächtige, leicht verknitterte Frau, von der Stig ganz offensichtlich seine fröhlichen Augen hatte. Vermutlich war auch ihr Majas zweifelhafter Ruf schon zu Ohren gekommen, und wie alle anderen Mütter war bestimmt auch sie der Meinung, ihr Sohn habe etwas Besseres verdient. Das war zumindest der Eindruck, der sich Maja aufdrängte. Auch zu Jans Mutter hatte sie in all den Jahren immer ein distanziertes Verhältnis behalten. Über höfliche, aber oberflächliche Konversation waren sie nie hinausgekommen. Und ganz gleich, wie sehr sie auf ihre Worte achtete, so hatte sie doch immer das Gefühl gehabt, etwas Falsches zu sagen.
    Peik war da schon entgegenkommender und drückte sie so fest an sich, dass ihr die Luft wegblieb.

    Â»Hast du schon mal so viel Krempel auf einem Haufen gesehen?«, fragte er mit lauter Stimme.
    Sie verkniff sich eine Antwort, sondern grinste ihn schweigend an. Wie Peik so dastand mit seinem weißen Hemd und der dunklen Hose, die an der Taille zu platzen drohte, gab er eine ziemlich unbeholfene, wenn auch gutmütige Figur ab. Maja vermutete, dass seine Mutter oder seine Frau für seine Garderobe verantwortlich waren. Peik erzählte, dass er seinem Kollegen die Flasche Whisky von Maja gegeben und ihm auch gleich geholfen habe, sie auszutrinken. Erneut brach er in dröhnendes Gelächter aus, das seiner Mutter, die verlegen zum Nachbarstand hinüberblickte, offensichtlich äußerst unangenehm war.
    Nachdem Maja zum zweiten Mal die Silberlöffel und die hübsche Damastdecke der Mutter gelobt hatte, fragte sie Stig beklommen, ob sie nicht eine kleine Runde drehen wollten. Er ließ sich sofort überreden. Sie versprachen Peik, ihm einen Kaffee und ein Bier mitzubringen.
    Stig und Maja mischten sich unters Volk. Mittlerweile war es so voll geworden, dass man sich kaum noch durch die schmalen Gänge schieben konnte. Die Turnhalle war bis zum Bersten mit eifrig handelnden Einwohnern gefüllt, was ein sicheres Zeichen dafür war, wie wenig in dieser Stadt sonst geschah. Maja hätte Stigs Mutter gern die

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