Die Anatomie des Todes
Blick ab.
»Eine Ãrztin, die unentgeltlich arbeitet â was für ein seltenes Glück!«, bemerkte Skarv ironisch und erntete den Beifall seiner Logenbrüder, die sich über ihren Kopf hinweg angrinsten.
»Sie verstehen mich falsch«, entgegnete Maja. »Natürlich lasse ich mir meine Arbeit entgelten. Aber statt Geld bekomme ich Informationen.«
»Worüber denn?«, entfuhr es dem Bürgermeister.
»Ãber die Vorgänge in dieser Stadt.«
»Hoffentlich nur Positives.«
Maja lieà ihren kühlen Blick von ihm zu den anderen Männern wandern. Sie schienen ihr weitaus weniger bedrohlich als noch kurz zuvor.
»Ich weiÃ, was im Heringsviertel vor sich geht«, sagte
sie trocken. »Ich weiÃ, dass dort groÃe Dinge geplant sind. Dinge, die noch nicht an die Ãffentlichkeit gelangen sollen. Dinge von solchen Dimensionen, dass manche Leute«, sie warf Skarv einen kurzen Blick zu, »sehr weit gehen würden, um sie zu â¦Â«
»Sie sollten sich hüten, andere zu diffamieren«, schnitt ihr Skarv das Wort ab.
»Sie haben eines vergessen.« Maja sah ihn unerschrocken an. »Die Einschüchterungskarte haben Sie schon ausgespielt, und ich bin immer noch da.«
Ihre Blicke trafen sich. Der Hass flackerte in seinen Augen.
»Maja?«, hörte sie hinter sich eine besorgte Stimme.
Sie drehte sich kurz um und lächelte ihn an, ehe sie sich wieder Erik Skarv zuwandte. »Und ich werde so lange hier bleiben, bis ich herausgefunden habe, was mit Jo Lilleengen, Eigil Kvam und Ãivind Munkejord passiert ist.«
Erik Skarv wandte den Blick ab. Dieses Spiel hatte er verloren.
Sie drehte sich wieder zu Stig um. Die Aufmerksamkeit aller Männer war nun auf ihn gerichtet. Er lächelte verhalten und nahm Majas Arm.
Â
Auf dem Parkplatz schlängelten sie sich zwischen den dicht an dicht stehenden Autos hindurch. Maja war euphorisch und konnte ihr lautes Kichern nicht unterdrücken. Es war ein Triumph, diese Männer so aus der Fassung gebracht zu haben. Jetzt konnten sie sich gejagt fühlen.
»Hast du ihre Gesichter gesehen, Stig? Hast du gesehen, wie erschüttert sie waren?«
Stig antwortete nicht, sondern stapfte schweigend ihrem Mercedes entgegen.
»Am Ende hat er es nicht mehr gewagt, mir in die Augen zu schauen.«
»Gibst du mir den Schlüssel?«, fragte er kurz und streckte bereits die Hand danach aus.
»Willst du fahren?«
Stig nickte und sagte, sie hätte zu viel getrunken.
»Nicht mehr als sonst, aber okay â¦Â«
Er schnappte sich den Schlüssel aus ihrer Hand.
Sie setzten sich ins Auto. Stig lieà den Motor an.
»Die haben doch alle Dreck am Stecken, nicht nur Skarv, aber was das Beste â¦Â«
Stig hob die Hand.
»Kannst du nicht mal für einen Moment die Klappe halten?«
Maja schaute ihn überrascht an. »Was ist denn los?«
»Sei endlich ruhig!«
Hatte er eben noch leicht gereizt gewirkt, so war er jetzt richtig wütend. Schweigend fuhren sie durch die Stadt. Erst als er die Abzweigung verpasste, die sie sonst immer nahmen, machte sie ihn darauf aufmerksam.
»Wir fahren nicht zu mir.«
»Sondern?«
»Wirst schon sehen«, antwortete er tonlos.
Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, doch Stig schaute stur nach vorn. Seine Gesichtszüge hatten sich verändert. Etwas Kaltes lag in seiner Miene.
Sie bogen von der HauptstraÃe ab und fuhren in Richtung Jættefluss. Sie begegneten keinen anderen Autos. Sie wusste zwar nicht, was Stig vorhatte, verkniff sich aber, danach zu fragen. Auch wusste sie nicht mehr, was seine Antworten eigentlich wert waren. Kurz darauf passierten sie den tosenden Wasserfall, doch Stig fuhr unbeirrt weiter. Bald würden sie die KüstenstraÃe erreicht haben, die zu Skarvs Villa führte.
Stig zündete sich eine Zigarette an. Normalerweise war sie es, die ihn dazu verführte, doch jetzt rauchte er ungefragt.
Wann hatte er nur begonnen, sich eigene Zigaretten zu kaufen?
»Gibst du mir eine?«, fragte sie.
Stig zog die Schachtel aus seiner Innentasche und gab sie ihr. Inzwischen war also ein Marlboro Man aus ihm geworden. Was mochte er noch vor ihr geheim halten?
Sie erkannte die langgestreckte Mauer wieder, die Skarvs Domizil umgab. Als sie das Eingangstor fast erreicht hatten, erwartete sie, dass er anhalten würde, aber sie setzten ihren Weg an der KüstenstraÃe
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