Die Anatomie des Todes
Blindheim nickte Maja
kurz zu und ging ihm entgegen. Er zog das eine Bein etwas nach und schien Schmerzen zu haben. Hoffentlich fehlte ihm nichts, das seinen beruflichen Sorgen gleichkam. Vielleicht lag es an seinen persönlichen Problemen, dass er sich den Fall offenbar so schnell vom Hals schaffen wollte.
7
Das Tagesgericht in der Kneipe namens Skudekroen war eine eigentümliche norwegische Variante von Boeuf Stroganoff, deren fade SoÃe am Gaumen klebte. Glücklicherweise hatte Maja mit dem Inhaber namens Lennart vereinbart, dass sie sich gegen ein bescheidenes Entgelt ihren eigenen Wein mitbringen durfte, heute ein sündhaft teurer Barolo, der ihre Laune erheblich verbesserte.
Nach einem weiteren langen Arbeitstag hatte sie Schutz vor dem Regen gesucht. Bis in den Abend hinein hatte sie Hausbesuche gemacht, war zwischen Windpocken, Grippefällen und einer Alkoholvergiftung hin und her gependelt. Im letzteren Fall hatte sie die Patientin, eine ältere Dame, persönlich ins Krankenhaus gefahren, damit ihr der Magen ausgepumpt werden konnte.
In der Kneipe mischte sich der Zigarettenqualm mit dem Geruch nach gebratenem Fett und gezapftem Bier. Das landesweite Rauchverbot war noch nicht bis zu Lennart durchgedrungen. Ein bescheidener Protest gegen die Machthaber in Oslo. Maja mochte diesen Ort.
»Guten Appetit«, hörte sie eine Stimme hinter sich.
Sie drehte sich auf dem Barhocker um und erblickte den Fernsehreporter, den sie insgeheim Mecki nannte. Er sah sie mit denselben schrägen und schmachtenden Augen an wie der Leadsänger von Aha.
»Danke«, entgegnete sie mit vollem Mund.
Durch ein Handzeichen orderte er beim Mann hinter der Theke vier groÃe Bier.
»Da scheint Lennart ja seinen besten Tropfen aus dem
Keller geholt zu haben«, bemerkte er mit Blick auf ihren Barolo.
Sie zuckte die Schultern.
»Ich habe mich noch gar nicht richtig vorgestellt. Stig Norland.«
Er streckte die Hand aus.
»Maja ⦠Holm«, entgegnete sie zögerlich und schüttelte sie.
Sein Händedruck war so fest wie der eines Fischers. »Was hat Sie eigentlich hierher verschlagen?«
»Mein Hunger.«
Norland lächelte. »Ich meine, in diese Stadt.«
»Die lag auf dem Weg.«
»Und wie gefällt es Ihnen?«
»Ausgezeichnet, solange man nicht überfallen wird.«
»Hat die Polizei den Einbrecher schon gefasst?«
Sie schaute ihn misstrauisch an.
»Ist das hier etwa ein Interview?«
Er wartete mit seiner Antwort, bis er das nötige Kleingeld aus seinem Portemonnaie geholt hatte. »Ich denke, wir haben beide Feierabend.«
»Die Ermittlungen scheinen noch keine groÃen Fortschritte gemacht zu haben.«
»Blindheim lässt sich bestimmt nicht in die Karten gucken. Vielleicht weià er inzwischen mehr, als er Ihnen erzählt hat«, entgegnete er und gab dem Barkeeper das Geld.
»Kennen Sie ihn gut?«
»In dieser Stadt kennt jeder jeden. Sagen Sie, wollen Sie sich nicht zu uns setzen?«
Sie blickte verstohlen zum Tisch hinüber, auf den er deutete. Dort waren zwei Männer und eine Frau in eine lebhafte Unterhaltung verstrickt. In dem einen Mann erkannte sie Norlands Kameramann wieder.
»Nein, danke, ich â¦Â«
»Sind nur ein paar Kollegen von mir«, erklärte er lächelnd. »Kann sein, dass noch mehr dazukommen.«
»Danke, aber ich möchte gleich nach Hause.«
Sie griff nach ihrer Handtasche, die auf dem Stuhl neben ihr lag.
»Dann vielleicht ein anderes Mal.«
Er nahm die vier Bier mit an seinen Tisch.
»Kennen Sie auch den Mann, der an einer Ãberdosis gestorben ist?«, fragte sie unvermittelt.
Norland runzelte die Stirn. »Lilleengen, den Junkie? Nur vom Hörensagen. Warum?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ach, nur so. Reine Neugier.«
»Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht doch zu uns setzen möchten?« Erneut sah er sie mit diesem verführerischen Blick an.
Ein gefährlicher Blick, dachte sie. »Gern ein anderes Mal. Jetzt muss ich zusehen, dass ich nach Hause komme.«
»Fahren Sie vorsichtig.«
Â
Maja überquerte erneut die Brücke und parkte den Wagen vor ihrer Wohnung. In der Nachbarschaft bellte ein Hund, ansonsten war alles ruhig. Sie nahm ihre Tasche mit der halbvollen Weinflasche und ging der Haustür entgegen. Sie suchte gerade nach ihrem Schlüssel, als plötzlich die Tür aufsprang und Eigil Kvam auf
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