Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
Vom Netzwerk:
Augen.
    Â»Vielleicht eine Freundin, die Schluss gemacht hat?«
    Sie gab ein unwilliges Schnauben von sich. »Wenn er eine Freundin gehabt hätte, dann hätte ich das gewusst.«
    Maja glaubte ihr und nickte. »Haben Sie sich häufig gesehen?«
    Â»In letzter Zeit schon. Er hat mich ab und zu besucht und fing wieder an, normal zu essen. Ich habe ihm alles gemacht, was er wollte, Hauptsache, es war genug Salz dran.«
    Maja lächelte. »Das klingt nach einem guten Verhältnis.«
    Eva Lilleengen lächelte ebenfalls. »Wir haben uns auch Filme im Fernsehen angeguckt. Wir haben zwar nicht unbedingt denselben Geschmack … doch, Die Farm, das mag er auch.« Sie schlug die Augen nieder. »Das mochte er auch. Aber inzwischen wird das nicht mehr gesendet.«
    Maja drückte ihre Hand. »Dann hatten Sie aber noch eine schöne Zeit zusammen, ehe er gestorben ist.«
    Eva Lilleengen nickte und lächelte matt. »Ja, das hatten wir.«
    Maja warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr.
    Â»Ich muss jetzt leider in meine Praxis zurück. Soll ich Sie nach Hause fahren?«
    Â 
    Zwanzig Minuten später hielten sie vor der Hausnummer 21 von Haralds Have, einem sozialen Wohnungsbauprojekt am Stadtrand. Maja gab ihr das Rezept für die neuen Medikamente. Sie hatte damit absichtlich bis zum letzten Augenblick gewartet. Die alte Dame sollte keinesfalls denken, dass sie nur zur Trauerfeier erschienen war, um das Rezept abzuliefern.
    Als Maja nach Hause kam, zog sie den Schuhkarton, in dem sie ihre persönlichen Unterlagen aufbewahrte, unter dem Bett hervor. Langweilige Papiere, die im Prinzip jedem
x-beliebigen gut ausgebildeten Single in den Dreißigern gehören konnten. Der Inhalt des größten Schuhkartons, den sie schon als kleines Mädchen besessen hatte, war viel spannender gewesen. Farbiger als die grauen Formulare von heute, phantasievoller als diese endlosen Zahlenkolonnen. Es war ein eigenes magisches Universum aus Glanzbildchen, Liebesbriefen, Schminkresten ihrer Mutter, Glücksbringern aus Plastik und persönlichen Schätzen, das die ganze Welt zu umfassen schien und so aussah, wie sie es wollte: rosarot.
    Sie leerte den Inhalt auf ihrem Bett aus und legte die Bilder von Jo auf den Boden der Schachtel. Dort unten würde er weiterleben, und dort wollte sie ihn so lange behalten, bis sie seiner Mutter die Antwort geben konnte, nach der sie suchte: was zum Tod ihres Sohnes geführt hatte. Eine Frage, die sie selbst zunehmend interessierte, aus professionellen wie aus privaten Gründen.
    Â 
    Am Abend rief sie ihre Mutter an und erzählte ihr, dass sie gezwungen sei, noch ein bisschen länger in der Stadt zu bleiben. Sie erwähnte keine Details, sagte nur, dass sich eine bestimmte Arbeit noch ein wenig hinziehe. Daher könne sie ihre Post getrost weiter an die Losgata adressieren.
    Doch ihr Anruf hatte nicht nur praktische Gründe. Es hatte etwas Tröstliches, die Stimme ihrer Mutter zu hören. Maja lag auf dem Sofa, hatte sich in eine Decke gewickelt und empfand das Bedürfnis, sich ihrer Mutter anzuvertrauen. Es irritierte sie nicht einmal, als sie ihr finanzielle Hilfe in Aussicht stellte, wenn sie nach Hause kommen würde. Stattdessen bedankte sie sich für ihre Anteilnahme.
    Â»Denk dran, dass man nie zu stolz sein sollte, jemanden um Hilfe zu bitten.«
    Als wolle sie ihre Mutter dafür belohnen, Jans Brief mit keiner Silbe erwähnt zu haben, erzählte sie ihr von dessen Inhalt.

    Die solidarische Mutter stärkte ihr den Rücken: »Wirklich unverschämt von ihm, dir nichts anderes zu schreiben.«
    Die besorgte Mutter wollte sich anschließend vergewissern, dass er ihre Tochter beim Verkauf nicht über den Tisch zog und sie ihren gerechten Anteil bekommen würde. Fast bekam sie Mitleid mit Jan, freute sich aber zugleich darüber, dass die »Mutter der Gerechtigkeit« in ihrer neuen Rolle ganz aufzugehen schien und Maja somit ein wenig Luft verschaffte.
    Â»Vielleicht war es wirklich das Beste, dass ihr euch getrennt habt.«
    Â»Ja, Mama.«
    Sie zog die Decke enger um die Schultern. Wie geborgen sie sich plötzlich fühlte. Die Gute-Nacht-und-Schlaf-gut-Mutter legte auf. In der Wohnung herrschte völlige Stille.
    Morgen wollte sie versuchen, zu Jos Freund Øivind Kontakt aufzunehmen. Er musste doch einiges zu Jos Leben und Bekanntenkreis wissen. Falls die Polizei schon mit ihm

Weitere Kostenlose Bücher