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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Wohnungstür und klopfte. Keine Reaktion. Wahrscheinlich war er sturzbetrunken und schlief seinen Rausch aus. Da es keinen Grund gab, ihm ohne Gegenleistung einen edlen Chablis zu schenken, nahm sie die Flasche wieder an sich, die sie auf dem Treppenabsatz abgestellt hatte. Da bemerkte sie an ihrem Ringfinger einen Blutstropfen. Das musste natürlich gerade jetzt passieren, wenn sie verabredet war. Sie schaute nach, ob sie sich irgendwo geschnitten hatte, konnte aber keine Wunde entdecken. Sie stellte die Flasche wieder auf den Boden, öffnete ihre Handtasche und fand eine Packung Kleenex. Sie befeuchtete das Tuch mit ein bisschen Spucke und rieb sich das Blut vom Finger. Wo kam es nur her?

    Maja schaute beunruhigt auf die Türklinke. Auf den ersten Blick war nichts zu sehen. Sie wischte mit dem Papiertuch über die Unterseite der Klinke. Das Tuch färbte sich rot. Sie warf es weg und wollte so schnell wie möglich zum Auto laufen, doch ihre Beine knickten einfach ein. Die Marschmusik schrillte in ihren Ohren. Sie wusste sehr genau, dass sie hinter der Tür ein furchtbarer Anblick erwartete. Sie wusste, dass sie die Polizei verständigen sollte. Akzeptieren sollte, dass sie hier nichts ausrichten konnte. Ihren hippokratischen Eid, anderen stets zur Hilfe zu kommen, für einen Augenblick vergessen sollte. Mühsam rappelte sie sich auf. Sie musste sich selbst ein Bild machen, was hier geschehen war.
    Vorsichtig schob sie die Tür auf.
    Â»Herr Kvam, ist alles in Ordnung?«
    Keine Antwort. Alles dunkel.
    Maja betrat den Flur und tastete nach dem Lichtschalter. Nur eine der drei kleinen Wandleuchten gab ein trübes Licht von sich. Ein Licht, das keineswegs geeignet war, ihre Angst vor der Dunkelheit zu vertreiben.
    Â»Herr Kvam?«, rief sie erneut.
    Sie machte ein paar zögerliche Schritte und meinte einen Schatten an der verblichenen Tapete zu ihrer Linken wahrzunehmen. Als sie näher heranging, sah sie, dass es kein Schatten, sondern ein blutiger, etwa sieben, acht Zentimeter langer Abdruck war.
    Sie zwang sich weiterzugehen und erreichte eine offene Tür auf der rechten Seite. Hier befand sich die Küche, genau wie bei ihr. Die beiden Wohnungen mussten identisch geschnitten sein. Im Dämmerlicht war nicht zu erkennen, ob Kvam generell nicht aufräumte oder ob jemand die Wohnung verwüstet hatte. Den zerschmetterten Weinballons an der Spüle entstieg ein penetranter Hefegeruch. Vielleicht stellte Kvam seinen eigenen Wein her, das würde
zumindest den Gestank erklären, der ständig aus seiner Wohnung drang.
    Maja ging den Flur entlang bis zum Badezimmer. Sie schaltete das Licht an, das keilförmig in das benachbarte Schlafzimmer fiel. Auf dem Boden lagen einige Flaschen und schmutzige Wäsche. Von Kvam fehlte jede Spur.
    Sie ging weiter bis zur nächsten Tür. Falls ihre Wohnungen wirklich denselben Grundriss hatten, musste sich hier das Wohnzimmer befinden.
    Maja klopfte an, ehe sie vorsichtig die Klinke hinunterdrückte und eintrat. Die Marschmusik dröhnte aus dem Dunkel. Das Einzige, was sie erkannte, war das Display der Stereoanlage, das wie zwei Augen in der Nacht leuchtete. Der Geruch, der in der Luft hing, war ihr vertraut: der Geruch nach rostigem Eisen und tierischem Fett. Geronnenes Blut. Viel Blut. Sie wusste, sie sollte nicht hineingehen, doch der Raum zog sie magisch an. Mit vorsichtigen Schritten ging sie zur Stereoanlage auf der anderen Seite. Sie stolperte über einen Gegenstand und blickte nach unten. Es sah aus wie ein halber Esstischstuhl. Er war zersplittert, nur der Rücken und die Hinterbeine hingen noch aneinander. Ihre Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit. Im Wohnzimmer schien ein Orkan gewütet zu haben. Maja ging zum Tapedeck. Das Display mit den tanzenden Dezibelausschlägen beleuchtete die Tasten darunter. Sie drückte auf Stopp, und die Musik erstarb. Die Stille war ohrenbetäubend. Sie lauschte in die Dunkelheit.
    Â»Her Kvam, sind Sie hier?«
    Stille.
    Sie hörte ihren rasenden Puls, ihren keuchenden Atem, das Schlucken in ihrer Kehle.
    Sie musste für Licht sorgen. Mit der Hand tastete sie an der Wand hinter sich entlang. Sie bekam ein Kabel der Musikanlage zu fassen und folgte ihm bis zur Steckdose. Sie
spürte einen losen Stecker und drückte ihn hinein. Das Deckenlicht erstrahlte wie das Flutlicht in einem Stadion.
    Plötzlich fühlte sie sich wie in einem blutigen Strudel

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